Abstecher in die Dolomiten...

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Joseph
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Abstecher in die Dolomiten...

Beitrag von Joseph » Mo 15. Sep 2008, 20:52

(Der Abstecher vom Gardasee ist einen eigenen Thread wert - finde ich. :D

Tour Nr. 6: Die (erweiterte) Sella-Runde: 4 Dolomitenpässe an einem Tag - plus Reifenplatzer!

Die zwei Tage Ruhe haben sehr gut getan. Gestern (Dienstag, 09.09.) sind wir in die Dolomiten, genau gesagt nach Corvara gefahren. Der Ort liegt auf 1600 Meter Höhe, direkt unterhalb des Grödner Jochs. Es ist Mittwoch Morgen und ich weiss schon direkt nach dem Aufstehen: Das war viel zu wenig Schlaf. Bis in die Nacht habe ich mein Rad vorbereitet. Neue Bremsbeläge montiert und den Schlauch im Vorderreifen plus Mantel gewechselt (den Hinterreifen leider nicht...). :wand:

Nach gutem Frühstück starte ich um 10 Uhr vom Hotel - und schon nach den ersten Metern, könnte ich fluchen. Es geht mit 17% runter in den Ort! Na toll, das wird ja nachher noch eine schöne Zugabe. ;-)

Von Corvara fahre ich nicht wie für die Sellarunde üblich über den Passo Campolongo, sondern es geht erst abwärts nach Stern / La Villa. Dort beginne ich meinen ersten Dolomiten-Anstieg. Bei absolut tollstem Sonnenschein geht es rauf auf den Valparolapass. Mit fast 900 Höhenmetern am Stück schon der schwierigste für heute - allerdings leichter werden die anderen nicht, schließlich hat man später ja schon ein paar Höhenmeter in den Beinen. Wer noch nicht hier war, dem kann ich die Aussicht auf die Dolomiten kaum beschreiben. Es haut einen einfach um. Wer schon mal hier war, der wird mich wohl verstehen: Das ist atemberaubend. Man muss sich wirklich beherrschen, nicht dauern rechts und links zu schauen, oder einfach anzuhalten, um den Anblick zu geniessen. Ich lasse es heute ruhig angehen, auch weil ich nicht weiss, wie ich mit der Höhe zu Recht komme. Zwar ist der Pass mit maximal 12 % nicht zu steil, aber er fordert dennoch.
Und ich glaub, ich merk die Luft. Vielleicht ist es nur Einbildung, aber irgendwie atmet es sich doch schwerer. Unangenehm, aber später wurde es dann besser. Vielen Radfahrern begegne ich nicht. Und wenn, dann sind sie auf dem MB unterwegs. Seiïs drum, ich geniesse es in vollen Zügen. Und das Wetter spielt mit. Darüber hinaus bin ich froh, letzte Woche am Gardasee doch einiges trainiert zu haben. Ich bin überrascht, wie gut ich hochkomme. Das 27er hat sogar immer öfter Pause. :o

Oben erlebe ich dann zum ersten Mal, wie Radsport in den Bergen verbindet. Schnell kommt man mit den anderen ins Gespräch. Jeder erzählt von seinen Erfahrungen - ich halte mich da sehr dezent zurück, was soll ich auch erzählen, als Neuling hier! Irgendwann raff ich mich dann auf, und löse mich von der tollen Aussicht. Es geht runter Richtung Andraz und dann sanft rauf nach Arabba. Dort steht der nächste Berg an: Der Passo Pordoi. Im Ort geht es nach rechts in den Anstieg und sofort in eine kehrenreche Strecke. So liebe ich das. Noch mal 830 Höhenmeter, aber ich nehme es vorweg, sie sind nicht steil, verteilen sich mit maximal 12% auf 9 Kilometer. Weil es ganz gut läuft, wächst in mir auch der Ehrgeiz. Während ich bei allen anderen Touren immer mal auch im Anstieg gehalten habe, versuche ich es nun mal auch Non-Stop. Das kostet zwar Kraft und auf Fotos muss ich dann auch verzichten, aber ich überwinde den Schweinehund und komme oben ganz gut an. Auf der Passhöhe erwartet mich eine Überraschung. Hier ist die Hölle los. Fast ein ganzes Dorf. Restaurant an Restaurant. Busse voller Touristen entladen sich über dem Platz. Irre. Fast ein Volksfest. Ich belohne mich erstmal mit zwei Wiener Würstchen und viel Cola. Dann das Pflicht-Foto vor dem Fausto Coppi-Denkmal. Dann stürze ich mich in die Abfahrt. Obwohl der Sturz sehr kurz ausfällt. Vor uns quält sich ein Buss durch die engen Kehren und dahinter wird eine Schlange an Autos und Wohnmobilen aufgehalten. Mit einem anderen Fahrer wage ich einige Überholversuche. Er schafft vor der nächsten Kehre auch noch den Bus, ich muss abbremsen. Hinter der Kurve will ich grade beschleunigen und überholen, als es passiert: Ein lauter Knall und schon schlägt mein Hinterrad aus. Schlauch geplatzt. Ich weiss nicht wie, aber irgendwie bekomme ich das Rad zum Stehen, ohne dabei auf der Strasse zu liegen. Mein Puls rast hoch, ich steige aus den Pedalen, lege das Rad auf die Seite und muss erstmal zur Ruhe kommen. Mir wird sofort klar: Ich hatte riesen Glück. Als der Schlauch hoch ging, hatte ich vielleicht 30 drauf, ich möchte mir kaum ausmalen, was passiert wäre, hätte ich den Bus schon vorher überholt und wäre viel schneller gewesen.
Ich schiebe die Gedanken zur Seite und handle. Unglaublich, aber erst meine zweite Panne in drei Jahren und diesmal habe ich zum Glück auch einen Ersatzschlauch dabei. Dazu bekomme ich Hilfe von allen Seiten. Keiner, der hoch oder runter fährt und nicht besorgt zur Seite blickt und sofort fragt: Brauchst du Hilfe?

Nach 15 Minuten und genauer Kontrolle geht es dann aber sehr dosiert weiter bergab. Der Mut zur Geschwindigkeit ist erst mal dahin. Ich hoffe nur, dass der Reifen hält und ich die Runde auch beenden kann. Vom Pordoi geht es nicht weit runter. Nach 500 Höhenmetern ist schluss und wenn man die Kurve bekommt geht es mit Tempo in den Anstieg zum Sella Joch. Der hat es noch mal richtig in sich. Von der Aussicht und der Härte. Vielleicht sind es aber auch nur die Höhenmeter, die ich schon in den Knochen habe. Ich treffe wieder auf zwei andere Fahrer, die ich schon am Pordoi getroffen habe. Da sie arg gemütlich fahren, ziehe ich vorbei. Am Passschild trifft man sich dann wieder :pfeif:

Oben gibt es auch ungewohnte Anerkennung: Zwei Motorradfahrer zollen unserer Leistung mit erhobenen Daumen Respekt. Na wenn das nicht weiter motiviert.

Lange halte ich mich hier aber nicht auf. Schließlich geht es noch rauf aufs Grödner Joch. Die kurzweiligen Weggefährten machen mir aber Mut. Viel ist es nicht. Und der Anstieg ist durch eine flache Fahrt auf einer Zwischenebene unterbrochen. So ist es dann auch. Es dauert nicht lange, und auch der vierte Dolomitenpass ist erobert. Fast habe ich ein schlechtes Gewissen, weil man den Anstieg ja irgendwie ?nicht ganz? gefahren ist, aber so ist die Runde halt.

Viel los ist hier nicht mehr, ich mache die Fotos und stürze mich in die letzte Abfahrt, runter nach Covara. Und die macht richtig Spass. Tolle Kehren, guter Belag (viel neu gemacht) und wenig Verkehr. Ein wenig übermütig lasse ich mich sogar dazu hinreissen, einen Kleinwagen zu überholen. Nach 9 Kilometern ist der Spass vorbei und ich bin unten. Doch dann fällt mir mit Blick auf den Hotelberg ein: Einer kommt noch. Und tatsächlich, es ist ein letzte Qual. Mit bis zu 17 % geht es hoch. Schlangenlinien, mein Tempo verrate ich lieber nicht. ;-)

Was folgt ist eine grosse Zufriedenheit, Dusche, eine Massage und ein richtig gutes Essen. Übrigens ein tolles Hotel. Bevor ich ins Bett fallen kann, wechsele ich noch den Hinterreifen. Sicher ist sicher. Dann schlaf ich ziemlich fertig ein.
Bilanz: 90 Km, 2.500 Hm.
Anfahrt%20Valparolapass.jpg Im%20ersten%20Anstieg.jpg Fast%20oben.jpg 1.Pass.jpg Anfahrt%20Arabba.jpg Pordoi.jpg Voksfest%20Pordoi.jpg Trubel%20Pordoi.jpg Denkmal%20Coppi.jpg Anstieg%20Sella.jpg Aussicht%20Sella%20Joch.jpg Sella%20Joch.jpg Sella%20Pass-2.jpg Aussicht%20Sella-3.jpg Aussicht%20Sella-2.jpg Sella%20Pass.jpg Abfahrt%20Sella%20Joch.jpg Anstieg%20Gr%F6dner%20Joch.jpg Energie.jpg Gr%F6dner%20Joch-3.jpg Pass%20Gr%F6dner%20Joch.jpg Serpentine%20Gr%F6dner%20Joch.jpg Gr%F6dner%20Joch-2.jpg Passstrasse%20Gr%F6dner%20Joch.jpg Aussicht%20Gr%F6dner%20Joch.jpg Gr%F6dner%20Joch.jpg Kurz%20vor%20Passh%F6he%20Gr%F6dner%20Joch.jpg Abfahrt%20Gr%F6dner%20Joch.jpg Corvara.jpg

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Re: Abstecher in die Dolomiten...

Beitrag von Gebirgsrenner » Mo 15. Sep 2008, 21:00

In welchem Hotel hast du denn übernachtet in Corvara? Der Anstieg zum Hotel erinnert mich irgendwie an meine Erfahrung mit Corvara. Zu meiner Pension ging es auch nochmal böse hinauf :-)

Ich fahre...

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Re: Abstecher in die Dolomiten...

Beitrag von Joseph » Mo 15. Sep 2008, 21:18

Gebirgsrenner hat geschrieben:In welchem Hotel hast du denn übernachtet in Corvara? Der Anstieg zum Hotel erinnert mich irgendwie an meine Erfahrung mit Corvara. Zu meiner Pension ging es auch nochmal böse hinauf :-)
Sporthotel Panorama. Der Name spricht für sich.
:D

In der Ortsmitte Richtung Campolongo Pass, dann irgendwann links den Berg rauf.

G.

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Re: Abstecher in die Dolomiten...

Beitrag von Gebirgsrenner » Di 16. Sep 2008, 07:05

Joseph hat geschrieben:Sporthotel Panorama. Der Name spricht für sich.
:D

In der Ortsmitte Richtung Campolongo Pass, dann irgendwann links den Berg rauf.
gleich daneben muss es eine kleine pension geben. da habe ich gewohnt :-).

Ich fahre...

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Re: Abstecher in die Dolomiten...

Beitrag von Joseph » Di 16. Sep 2008, 17:34

Gebirgsrenner hat geschrieben:
Joseph hat geschrieben:Sporthotel Panorama. Der Name spricht für sich.
:D

In der Ortsmitte Richtung Campolongo Pass, dann irgendwann links den Berg rauf.
gleich daneben muss es eine kleine pension geben. da habe ich gewohnt :-).
Da gab es einige. Stimmt. Ich finde ja, der Berg sollte einen eigenen Pass-Namen bekommen. ;-)

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Re: Abstecher in die Dolomiten...

Beitrag von peso » Di 16. Sep 2008, 18:33

Reißbrett 2016

"Ich bin in diesem Jahr auf noch keiner Ausfahrt schneller als 24 km/h im Schnitt gewesen." (Anonymer Radfahrer, 2005)

"Treffpunkt ist jedenfalls 05:30 an der Uniklinik." (Good old Times)

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Re: Abstecher in die Dolomiten...

Beitrag von Joseph » Di 16. Sep 2008, 19:23

Tour Nr. 7: Über den Fedaia und den Passo Pordoi

Leer. Einfach leer und müde, so fühle ich mich, als um 7 Uhr der Wecker klingelt. Ich schaue aus dem Fenster und hoffe insgeheim: Bitte lass es regnen. Aber draussen zaubert der blaue Himmel ein tolles Panorama über das Grödner Joch und auch irgendwie Kraft und Lust in meine Beine. Ich springe tatsächlich aus meinem warmen Bett. Im Zimmer ist es nur kalt und auch das Bad. So was mag ich ja gar nicht, aber Heizung ist hier im September einfach nicht.

Heute auf dem Plan: Der Abschluss! Meine wohl letzte Berg-Tour für diesen Urlaub. Bin jetzt seit 12 Tagen unterwegs, auf dem Garmin stehen immerhin auch schon 15.200 Höhenmeter. Viel Kraft ist nicht da, aber für eine schöne Fahrt durch die Dolomiten soll es noch reichen. Die Entscheidung fällt für den Passo Fedaia. Ein Tipp vom Gebirgsrenner. Schon das hätte mich warnen sollen. Seine Bemerkung ?wenn du mutig bist? schon erst recht. Beides hat es nicht, man wird halt übermütig.

Da wir heute aber wieder Richtung Gardasee abreisen wollen - und meine Schwester nicht zu spät fahren möchte, entscheide ich mich für eine kurze Runde mit zwei Höhepunkten: Passo Fedaia und erneut über den Passo Pordoi, aber diesmal von der anderen Seite als gestern. Die Runde wird so etwas über 70 Km und so um die 2.000 Höhenmeter haben. Da der Fedaia so schwer sein soll, geh ich lieber mal mit weniger als sonst in den Tag. ;-)

Also, mit dem Auto überfahre ich den Campolongo Pass und starte in Arabba. Ja, eigentlich wollte ich den auch mit dem Rad nehmen, aber da ich so lange noch rumgegammelt habe, war es dafür einfach zu spät. ;-)

Von Arabba geht es abwärts nach Caprile. Eine schöne Abfahrt - mit ein paar Metern hoch. Insgesamt 23 Kilometer zum einrollen. Dann beginnt er. 14 Kilometer bis zur Passhöhe warnt mich das Schild. Und die Anstrengungen lassen nicht lange auf sich warten. Ich rolle nicht, ich klebe - so mein Gefühl. So langsam scheinen sich die Runden bemerkbar zu machen. Aber wie es dann so ist, ignorieren hilft meistens. Es geht mit ein paar Kehren los, dann aber hagelt es mehr lange Geraden. Nicht so nett. Sie dauern ewig, aus der Ferne scheinen sie flache Stellen zu haben, aber die entpuppen sich gerade zu als Fata Mogana. Eine kleine touristische Zwischenfahrt gönne ich mir dann. Statt die Passstrasse weiter zu befahren, geht es durch eine kleine Felsenschlucht: durch die Schlucht von Sottoguda (Serrai di Sottoguda). An den Seiten gehen die Felswände senkrecht nach oben. Der Weg ist für Autos gesperrt. Ist mehr ein geteerter Wanderweg, der zwischendurch auch mal 17% hat. Aber an dem kleinen Bach stehen an manchen Punkten Puppen, die wohl irgendeine Geschichte erzählen. Irgendwie schön. Wie eine Art Märchenstrasse. ;-)

Doch damit ist es dann bald vorbei und ich stosse wieder auf die Passstrasse. Nun heisst es wirklich beissen. Unter 11 geht es nicht mehr. Eher mehr. Ich fahre wieder nur das 27er. Keine Experimente heute. Ankommen. An einem Restaurant mache ich eine kleine Pause und blicke zurück. Erst jetzt sehe ich, wie steil die langgezogene Gerade ist. Irre. An der Theke bestelle ich mir eine Cola und will mich eigentlich im etwas kühleren Gästeraum ausruhen. Aber nach ein paar Minuten hat sich unter mir eine kleine Lache gebildet. Der Schweiß fliesst nur so an mir runter. Also schnell raus und in der Sonne neue Kraft tanken. Da seh ich sie! Von unten kommt eine ganze Reihe von Radfahrern fast hochgeflogen. Alle mit dem gleichen Trikot. Wohl eine Reisegruppe, denn bald passieren mich auch zwei Begleitfahrzeuge. Ich blicke den ersten nur sprachlos hinterher. Die haben ein irres Tempo drauf. Da packt es mich auch und ich steige wieder aufs Rad und schon bald ist die alte Qual wieder da. Und noch immer keine Kehren. Nur gerade aus. Das kann einen fertig machen. Weitere Fahrer überholen mich. Oh man, das wird jetzt ganz schön bitter, denk ich. Aber lieber ruhig bleiben. So wie die hier hoch fliegen! Ich trete weiter mein Tempo und endlich kommen die Kehren in erreichbare Nähe. Jetzt sind es nur noch so 4 - 5 Kilometer. Das Problem ist aber: Jetzt wird es richtig steil. Bis auf 15 geht es nun rauf. Hinter mir seh ich jetzt einen weiteren Fahrer herankommen. ?Das kann doch nicht wahr sein?, denke ich noch und erwarte schon den Angriff, da taucht vor mir das erste 15%-Schild auf. Die erste der beiden steilen Rampen. Der Fahrer hinter mir verzichtet auf den Angriff und hängt sich an mein Hinterrad. Na toll, eh schon besser und dann noch mal schön ziehen lassen? Super. Aber egal, ich habe jetzt eh alle Hände, besser Beine voll zu tun. Allerdings kann ich noch recht rund treten, Schlangenlinien fallen aus. Als es flacher wird höre ich es dann. Hinter mir wird runtergeschaltet und er geht vorbei. Der ?Er? ist dann eine Frau und ruft mir auf englisch beim Überholen zu: ?Only 500 meters! Come on. Onliy 500 Meters!?
Ich kann nur lachen. Was sollïs, ich will jetzt nur noch, dass es vorbei ist. Dann geht mein Blick nach oben: Von wegen 500 Meter! Das sind locker noch 2 Kilometer! Weg ist die Hoffnung. Da kommen schon die nächsten Fahrer. Diesmal werde ich auf Deutsch angesprochen: ?Ganz schön hart, was?? Ich nicke nur und denke: Auch keine tolle Motivation. Der nächste der vorbei fährt muss kurz danach wieder rausnehmen. Und jetzt wird es richtig lustig. Wir fahren zusammen in die zweite 15%-Rampe. Und was macht er? Seine TF sinkt auf geschätzte 40! ;.-) Und nun fährt er solch extreme Schlangenlinien, dass ich - weil ich nun einfach schneller bin - immer wieder jeden Überholversuch abbrechen muss. Der Höhepunkt ist, dass ich sogar kurz bremsen muss, weil er mal wieder völlig unkontrolliert die Richtung wechselt und wir uns fast berühren. Was für ein A.....
Dann beschleunige ich kurz und bin vorbei. Man bin ich froh über meine Übersetzung. So möchte ich nun wirklich nicht fahren. Sah echt schlimm aus. Und gepustet hat der. Irre. Aber irgendwie will er es nicht auf sich sitzen lassen. Als es wieder auf so 11 runter geht, zieht er wieder vorbei. Soll er doch. Mich kann nichts mehr ärgern, denn nun bin ich oben!Wahnsinn. Das Glücksgefühl ist riesig. Und alle Gesichter sagen das Gleiche: Was für ein harter Pass.

An der Hütte treff ich auf zwei ?alte? Bekannte. Die Frau und der Mann von vorhin. Es stellt sich raus, die beiden sind ein Ehepaar, kommen aus Colorado und sind eine Woche in den Dolomiten. ?Der Radtransport im Flugzeug hat sie schlappe 300,- ? gekostet. Als ich frage, ob für hin- und zurück, antwortet er nur: Weiss ich nicht! Ja, so sind sie. ?We live only once time? gibt er noch zum besten, dann erzählen wir uns gegenseitig von den letzten Tagen. Die Beiden fahren hier tatsächlich jeden Tag. Erst die Sella-Runde in die eine, am nächsten Tag in die andere Richtung. Dann den Pass, heute den. Die lassen wirklich nichts aus. Wir plaudern munter, ich erzähle von ,meinem kleinen ?See-Unfall?, ernte den erwarteten Lacher, dann müssen wir weiter. Sie nur noch runter, ich ja noch über den Pordoi. Zur Verabschiedung ruft sie mir noch ein ?We have a good climb together? zu. Dann sind sie weg. Ich aber erstarre beim Anblick der unglaublichen Wunderwelt, die mich um die Ecke erwartet. Ein toller Gletschersee, grünschimmernd und daneben dominieren die Gipfel das Bild. Einfach irre. Für die 2 Km bis zur Abfahrt brauche ich locker 15 Minuten. Zu schön ist es hier.

Die Gruppe von eben überholt mich, als ich noch fotografiere. Aber der kleine Wettkampf ist entbrannt und noch nicht zu ende. Ich stürze mich in die Abfahrt und als ich unten in Canazei ankomme seh ich die Gruppe, zumindest die letzten der Gruppe in den Pass fahren. Ich rüste runter, also Armlinge und Weste aus. Gönne mir noch ein Gel und viel Wasser. Dann geht es los. Und ich lass mich etwas von dem Gedanken treiben, dass ich sie vielleicht doch noch einholen kann. Schon drücke ich aufs Tempo. Okay, was halt für mich Tempo ist. Und siehe da. Nach 2 Kilometern habe ich die Ersten. Ha. Locker gehe ich vorbei und weiter gehtïs. Ich weiss zwar genau, dass könnte mal so richtig nach hinten los gehen, aber da es mein letzter Berg ist, will ich es wissen. Schon komme ich an die nächsten ran. Dann tauchen vor mir zwei weitere auf. Doch nun wird es schwerer. Die fahren fast mein Tempo und ich will nicht überdrehen und dann peinlich wieder überrollt werden. Also nehme ich etwas raus und wir fahren mit Anstands-Abstand gemeinsam die nächsten Kilometer hoch. 4 Km vor der Passhöhe scheint der eine aber immer langsamer zu werden und ich ziehe nun doch vorbei. Drücke etwas aufs Tempo um ein wenig Abstand zu bekommen. Schnell verschwinden sie hinter den letzten Kehren. Ich lehne mich etwas zurück. Zu früh! Die Beiden wollen wohl ein Rennen und haben wieder zugelegt. Jetzt lege ich alle Vernunft ab und lass mich drauf ein. Für einige Zeit beschleunige ich wieder, aber der Abstand wird nicht grösser. Zum Glück kommt ein kurzes etwas flacheres Stück. Ich versuche noch mal zuzulegen und endlich lassen sie es. Der Abstand wächst und durch die Tempoarbeit bin ich fast noch an die nächsten rangekommen. Keine Frage, das macht irre Spass. So lange man die Kraft hat. ;-)
Aber dann bin ich schon oben. Völlig fertig lass ich mich auf den Stuhl fallen und beobachte erneut etwas überrascht den Trubel hier oben. Das hört wohl nie auf!

Ich nippe schon an meiner Cola, da tauchen die beiden ?Geschlagenen? auf. Zuerst gehen sie wortlos an mir vorbei, doch dann hebt der eine den Daumen. Ich grüsse still zurück. Irgendwie nett.

Der Rest ist dann schnell erzählt. Ich ruh mich etwas aus, dann geht es in die letzte Abfahrt. Noch eimal geniessen, dann bin ich am Auto. Das Einpacken fällt mir wahrlich schwer. Ich fühle, für noch eine Bergtour am See wird es nicht reichen. Also war es das.

Hm, richtig schade. Es war toll. Alles was ich erwartet habe, wurde noch übertroffen. Auch meine gesteckten Ziele:

Heute waren es 70 Kilometer und 2.000 Hm. Mein Fazit für die ganzen 12 Tage:

Strecke: 670 km
Höhenmeter: 17.100

Das ist viel mehr als ich mir zugetraut hatte. Und ich will wieder kommen. Unbedingt. Vielleicht nicht allein, denn gemeinsam macht es hier sicher noch mehr Spass. Habe ja lange gebraucht, bis ich mich endlich überwunden hatte, es zu wagen. Jetzt kann ich nur jedem rate: Macht es. Dafür quäle ich mich auch gern nach Grimma und durch das Muldental.

Es war einfach toll.
Aussicht.jpg Schlucht-1.jpg Schlucht-2.jpg Schlucht-3.jpg Passstrasse.jpg Strasse.jpg Schlucht-5.jpg Schlucht-4.jpg Pass.jpg Blick%20zur%FCck.jpg Ausblick.jpg Ausblick%20von%20Fedaia.jpg Die%20letzten%20Kehren.jpg See-2.jpg See-3.jpg See-7.jpg See-6.jpg See-5.jpg See-4.jpg Gletscher-2.jpg Gletscher.jpg Gletschersee.jpg

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Re: Abstecher in die Dolomiten...

Beitrag von peso » Mi 17. Sep 2008, 13:18

Tag 7

Fedaia
Pordoi

Diese Klamm zu Beginn des Fedaia ist wirklich ein Schmankerl!
Reißbrett 2016

"Ich bin in diesem Jahr auf noch keiner Ausfahrt schneller als 24 km/h im Schnitt gewesen." (Anonymer Radfahrer, 2005)

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Re: Abstecher in die Dolomiten...

Beitrag von Winni » Mi 17. Sep 2008, 13:45

Herrlich! Hast du eigentlich GPS-Aufzeichnungen von deinen Touren?

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Re: Abstecher in die Dolomiten...

Beitrag von Joseph » Mi 17. Sep 2008, 14:39

peso hat geschrieben:Tag 7

Fedaia
Pordoi

Diese Klamm zu Beginn des Fedaia ist wirklich ein Schmankerl!
Endlich mal ein Profil, das auch meine Empfindung widerspiegelt! :D

Ja, diese Gerade ist echt finster.

G.

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