Highlander Radmarathon im Vorarlberg

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crishi
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Highlander Radmarathon im Vorarlberg

Beitrag von crishi » Di 20. Jul 2010, 09:03

18.07.2010 Endlich war es soweit. Mein Jahreshighlight stand an.

Vorspiel
Da es dieses Jahr wieder nicht mit einem Ötzi Startplatz geklappt hatte musste ein Ersatz Event her. Nach einiger Suche stiess ich auf den
Higlander Radmarathon im Vorarlberg. Mit 190 km und 4200 Hm deutlich kürzer und mit weniger Höhenmeter ausgestattet als der Ötztaler aber für mich sollte es genügen.

Der Start
Sonntag 7.00 Uhr in Hohenems (Nähe Bodensee).Es hatte die ganze Nacht geregnet aber jetzt war es Gott sei Dank trocken .Wenn auch mit 17 Grad recht frisch. Da der Highlander eher ein kleineres Event ist standen ausser mir nur noch etwa 350 andere Fahrer am Start.Ein Blick in die Startliste am Vortag offenbarte - viele Einheimische, einige Schweizer und ein paar Deutsche. Ich befürchtete daher als "Flachlandtiroler" früh abgehängt zu werden. Abwarten. Der Startschuss fiel und es ging los die ersten 8 km bis Dornbirn waren topfeben und waren bei 40+ schnell absolviert.

Der 1. Anstieg:
Das "Bödele" (Loosenpass)
Gleich in Dornbirn ging es in den ersten Anstieg. Das Feld flog sofort auseinander. Vorne wurden jetzt sicher weit mehr als 400W erbracht und so war die Spitzengruppe schnell ausser Sichtweite.
Mein Plan war,um eine gute Gruppe für das folgende 20 km lange Flachstück zubekommen, den ersten Anstieg eher flott anzugehen ohne jedoch zu überdrehen. So regelte ich meine Leistung bei rund 270 W ein und kam mit der zweiten grösseren Gruppe über die Passhöhe.Die Steigung wies ausser ein paar 14 % Rampen keine grösseren Schwierigkeiten auf ,unten im Schnitt 7,6 % steil oben dann 9,5 %. Am Anfang des Tages sehr schön zu fahren. Zwischendurch gab es einige lohnenswerte Blicke auf den unter uns liegenden Bodensee für die wir jedoch keine Zeit hatten.

Zahlenspiel: DAS BÖDELE (LOOSENPASS)
Höhe : 1138 MÜM
Höhenunterschied:702 Hm
Länge: 8,2 km
Steigung: 8,6 %
Max :14%
gefahren in: 36,12 min.
Leistung: 261 W - 97% an der FTP

Die folgende Abfahrt wurde schnell und in rasanter Fahrweise ,zwischen angehaltenen Autos hindurch, absolviert. Im Flachstück herrschte starker Kantenwind und die Gruppe machte ordentlich Dampf. Ich musste selbst im Windschatten 220-230 W erbringen. Das war eigentlich nicht der Plan . Ich wollte doch im flachen Kraft sparen und mich erholen. Einige andere dachten offensichtlich ebenso. Und so zerriss die Gruppe sehr schnell. Ich fand mich im hinteren Teil wieder. Es ging nun nicht mehr ganz so flott voran aber die Gruppe lief jeder ging durch die Führung und bei dem angeschlagenen Tempo konnte man sich hinten sogar etwas erhohlen.

2. Anstieg
Hochtannbergpass
Ab dem Ortsausgang von Au begann der 2. Anstieg zum Hochtannbergpass.Alles hatte sich etwas beruhigt und die Gruppe fuhr ein annehmbares Tempo bei dem ich mit 240 W gut mit kam .Unten ist der Anstieg mit 3-4 % eher flach, die Strasse schlängelt sich gleichmässig empor. Dann folgen ein paar Tunnel danach geht es dann los erst 8%, dann 10 %,12 % schliesslich noch ein paar Rampen die deutlich mehr als 14 % haben. Hier hohlten wir die ein paar Fahrer ein. Das gab Selbstvertrauen. Die Strasse wurde wieder flacher(6-7%) und da es noch früh am morgen war tauchten wir in die tief hängenden Wolken ein es wurde richtig frisch aber, bei der Anstrengung nicht kalt. nach 13 km Anstieg erreichten wir die Passhöhe.

Zahlenspiel: HOCHTANNBERGPASS
Höhe: 1690 MÜM
Höhenunterschied: 906 Hm
Länge:13 km
Steigung :6,8 %
Max : 16%
gefahren in:55,03 min.
Leistung: 242 W - 90% an der FTP
Die 10 km lange Abfahrt nach Lech war angenehmer zu fahren als die vom Bödele ,weniger Autos ,kaum Kehren. Das einzige was unangenehm ist sind die 3-4 Gegenanstiege die zwar sehr kurz sind aber steil und wenn man kalt aus der Abfahrt kommt geht das schon ordentlich in die Beine.

3. Anstieg zum Flexenpass
Wir erreichen Lech, noch im Ort beginnt der Anstieg. Da man sich hier noch auf 1440 MÜM befindet ist der zu überwindende Höhenunterschied zum Flexenpass mit 340 Hm überschaubar. Auf den ersten 3 km geht es ohne grosses Vorgeplänkel mit 11-12 % gleich zur Sache. Die Landschaft ist hier schon recht karg ,die Strasse zieht ,ohne Kehren ,steil empor und man bekommt eine Vorstellung von hochalpiner Natur. Zu diesem Zeitpunkt weist die Gruppe ,noch ungfähr 8 Fahrer , starke Auflösungerscheinungen auf. Ich fühle mich nach wie vor aber gut und kann ohne grosse Anstrengungen meine 240 W erbringen . So streben wir mittlerweile nur noch zu dritt auf der immer flacher werdenden Strasse (5-6%) der Passhöhe entgegen. Oben angekommen sind bereits 77 km gefahren und die Hälfte der Höhenmeter überwunden.Da meine Getränkevorräte zur Neige gingen tanke ich direkt auf der Passhöhe nach.Leider war ich der einzige aus meiner Gruppe der das so machen musste. Die anderen, das war mir unterwegs schon aufgefallen, wurden aus Teamfahrzeugen oder vom Strassenrand versorgt. Bemerkenswert für ein Hobbyrennen !!! Da ich mir schon im Vorfeld überlegt hatte den Zeitverlust von Getränkestops so gering wie möglich zu halten war ich mit 3 grossen Flaschen gestartet, so blieb es der einzige Stop des Tages. Obwohl er nur 3 min. dauerte war die Gruppe natürlich weg. Und als Leichtgewicht 3 min. in der Abfahrt aufzuhohlen - utopisch.

Zahlenspiel : FLEXENPASS
Höhe :1773 MüM
Länge: 6,4 km
Höhenunterschied:340 Hm
Steigung: 6 %
Max :12 %
gefahren in: 20,43 min.
Leistung: 237 W 88% an der FTP
Die Abfahrt die nun folgt ist am Anfang sehr steil und fast ohne Kurven. Hier erreichte ich mit 103 km/h die Höchstgeschwindigkeit des Tages. Wahnsinn !!!! Ich wusste nur das es schnell war, auf den Garmin zu schauen traute ich mich nicht mehr. Ich sah also erst hinterher bei der Auswertung wie schnell ich da war. Mir wird jetzt noch Angst und Bange.Gott sei Dank gibt es sowas wie Adrenalin.
Die Abfahrt wurde nun langsam flacher und ein frischer Gegenwind blies mir ins Gesicht. Ich war leider immer noch alleine und verfluchte meinen Getränkestop auf der Passhöhe aber ohne geht ja nun mal nicht. Nach weiteren 15 km Alleinfahrt kam dann endlich die ersehnte Gruppe von hinten. Ich hängte mich in den Windschatten und konnte ein wenig verschnaufen und etwas Essen.

4. Anstieg zum Faschinajoch
Ab Ludesch begann dann der längste Anstieg des Tages zum Faschinajoch.Dieser wird in 3 Abschnitten gefahren ,erst rund 7 km bis Raggal dann eine kurze Abfahrt,danach nochmal 10 km wieder eine kurze Abfahrt und noch mal 4 km bis zur Passhöhe. Die kurze Pause im Windschatten hatte mir gut getan ich fühlte mich super und war voller Tatendrang. Ich regelte also wie gewohnt meine Leistung bei 230-240 W ein und stapfte bergan. Mich wunderte nur das niemand aus der Gruppe folgte . Waren die platt ? Oder einfach nur klüger als ich? Egal, bis hierhin lief es so gut also weiter. Schnell war ich allein und niemand war mehr hinter mir zusehen. Raggal wurde erreicht und die kurze Abfahrt absolviert. Nun war ich im 2.Teilstück alles lief prächtig ich hatte richtig Spass. Von vorne kamen Fahrer die ich einhohlte und hinter mir war niemand. Jetzt machst du Zeit gut, dachte ich mir,nur nicht überdrehen.
Am Ende des 2.Teilstücks wird es dann steil. erst 10% dann 11 dann 14% oha, das tat jetzt weh. Meine Energie war auf einmal wie weggeblasen.Laut Passbeschreibung sollte es eigentlich wieder flacher werden. Sollte - wurde aber nicht,oder nur unwesentlich der Garmin zeigte immer noch 11-12% puuuh.Meine Leistung sank rapide 220,210,200 W. was war los ???? Ich hatte noch 2 Gels die kamen sofort zum Einsatz -vielleicht hilfts ja. Noch 1 km bis zur 2. kurzen Abfahrt, von hinten kamen die Fahrer näher , die ich kurz zuvor noch überhohlt hatte.
Ich platzte regelrecht , mit Mühe und Not rettete ich mich in die kurze Abfahrt, leider war sie zu kurz um sich zu erhohlen. Die letzten 3km bis zur Passhöhe Faschinajoch - es wurde echt hart.Jetzt wurde ich das erste mal seit dem Bödele überhohlt ,nicht gut für die Moral. Ich nahm alle Kraft zusammen und versuchte mich am Hinterrad festzubeissen. Es gelang . Ich starrte nur noch auf die Hinterradnabe meines Vordermannes. Ich musste mich richtig quälen alles tat weh. Der Garmin zeigte immer noch zwischen 9 und 12 % nicht die Welt -für mich in dem Moment zu viel .Mit 200 W und ner 60er Trittfreqeunz kamen ich irgendwie oben an. Ich wüsste nicht mehr wie es da oben aussah. Ich war jenseits von gut und böse.

Zahlenspiel FASCHINAJOCH:
Höhe : 1513 MüM
Länge: 21,4 km
Höhenunterschied:1200 Hm
Steigung: 6 %
Max :15 %
gefahren in: 1,18,48 STD.
Leistung: 225 W 84% an der FTP

5. Anstieg zum Furkajoch
Ohne Erhohlung ging es weiter, wäre ich hier abgestiegen, es wäre wohl vorbei gewesen. Es folgten 4 unendliche km zum Furkajoch.Ich mach es kurz es ging nichts mehr. Es war nicht mehr steil nur noch 4-6 %.Trotzdem ich war durch.Meine Leistung war bei 180 W angekommen meine Begleiter waren weg. Die die von hinten kamen konnte ich nicht mehr halten. Egal. Wie die Landschaft aus sah, keine Ahnung ,egal .Alles war mir gleich nur noch da hoch , ging es mir durch den Kopf. Und dann endlich geschafft der letzte Anstieg,die letzten HM , ich war oben.

Zahlenspiel FURKAJOCH:
Höhe: 1776 MüM
Länge: 5 km
Höhenunterschied:275 Hm
Steigung: 4,8 %
Max :6%
gefahren in: 19,38 min.
Leistung: 178 W 66% an der FTP
Jetzt ging es nur noch berg ab bis ins Ziel. Erst steil dann immer flacher. In der Abfahrt erwischte ich ne Gruppe und dachte mir ALLES WIRD GUT , die ziehen dich jetzt ins Ziel. Falsch gedacht. Am Ende der Abfahrt macht es plötzlich ZZZZZSSSSIIISCHHHHHH. Nein nur nicht das, das kann doch nicht war sein. Das Vorderrad war platt , der Latexschlauch hatte wohl die lange Abfahrt nicht überlebt. Die Moral war eh schon am Boden , jetzt noch Schlauch wechseln und dann allein 12 km ins Ziel . Abholen würde mich wahrscheinlich niemand also machte ich mich ans Werk. Das Vorderrad war schon draussen, da hielt ein Auto neben mir. "Wuist ned luiber a Vorderrad hoam" , fragte mich jemand und grinste, auf der Seite des Autos stand BEGLEITFAHRZEUG , ja nehm ich .Ich war so froh. Konnte es jedoch in meinem Zustand nicht mehr ausdrücken.Die Jungs waren Götter für mich, da man mir meinen Zustand wahrscheinlich ansah nahmen Sie mich in den Windschatten und zogen mich bis zur nächsten Gruppe. DANKE DANKE DANKE dafür allein wäre ich gestorben.So kam ich dann doch noch irgendwie im Ziel an. Und letztendlich besser als am Schluss gedacht. Am Ende stand eine Fahrzeit von 6,38 Std.(genau 1Std und 6 min langsamer als der Sieger), ein Durchschnitt von 28 km/h. Das bedeutete Platz 28 in meiner Altersklasse und Platz 78 Gesamt von 355 Startern. Da wäre doch noch einiges möglich gewesen ...... wenn alles glatt läuft. Ich bin trotzdem zufrieden mit dem geleisteten. :D Und bei aller Erschöpfung stellte sich im Ziel ein breites Grinsen ein . Die Jungs vom Begleitfahrzeug bekamen natürlich noch ein Danke schön und ne Runde Bier spendiert.

Fazit: Ein sehr empfehlendswertes Event. Wer nicht den Trubel und das Prestige des Ötzis sucht ist hier genau richtig. Mit 25 Euro plus 10 Euro Chipkaution verhältnismässig günstig. Eher familieäre Atmosphäre , gut organisiert und mit 5 Versorgungstionen ausgestattet. Also alles da was man braucht.
Zuletzt geändert von crishi am Di 20. Jul 2010, 12:42, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Highlander Radmarathon im Vorarlberg

Beitrag von salamander_f » Di 20. Jul 2010, 09:18

Crishi, herzlichen Glückwunsch. Tolle Sache. Wäre was für 2011. Grüße, bis später...

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sippe
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Re: Highlander Radmarathon im Vorarlberg

Beitrag von sippe » Di 20. Jul 2010, 11:48

Das hört sich super an! Sollte man sich mal vormerken.
Super gemacht und gut geschrieben - ich war beim Lesen direkt bei dir! :daumen:
"will halt auch dabeigewesen sein"-Fahrer :-D

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mi67
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Re: Highlander Radmarathon im Vorarlberg

Beitrag von mi67 » Di 20. Jul 2010, 11:59

crishi hat geschrieben:... Jahreshighlight ...
Klasse! Habe beim Lesen richtig mit-taktieren, mit-attackieren, mit-leiden und mit-sterben können. :D

Da ich einige der dort gefahrenen Straßen (außer Flexen und Hochtannberg) noch nicht mit dem Rad gefahren bin, wäre das auch mal eine nette Runde für mich!
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SchmidtsKatze
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Re: Highlander Radmarathon im Vorarlberg

Beitrag von SchmidtsKatze » Di 20. Jul 2010, 17:44

ich gratuliere und :hut: ! Ein sehr schöner Bericht der mich schon in Vorfreude auf übernächstes Wochenende versetzt...


und bei 103km/h mach ich mich ja beim lesen schon fast nass...
ich habe ein Motivationsproblem - bis ich ein Zeitproblem habe...

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