Linz - Triest

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Falcon
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Re: Linz - Triest

Beitrag von Falcon » So 5. Dez 2010, 19:02

8. Tag: Ruhe
Am Morgen muss mein Mitfahrer wieder zurück (Urlaub zu Ende) und den Rest der Tour muss ich allein erledigen. Es regnet weiter, vielleicht mal von einer trockeneren Stunde unterbrochen, also perfekt für einen Ruhetag: Klamotten waschen, kleiner Stadtrundgang auch in die angrenzenden Weinhügel usw. Die angeblich älteste Weinrebe der Welt wird heute abgeerntet, aber als ich vor Ort eintreffe, ist das ganze Spektakel schon vorbei (wegen des schlechten Wetters?) und die Fernsehteams bauen die Technik ab.
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die älteste Weinrebe der Welt.jpg
die älteste Weinrebe der Welt
Maribor im Regen.jpg
Maribor im Regen

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Falcon
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Re: Linz - Triest

Beitrag von Falcon » So 5. Dez 2010, 19:14

9. Tag:
Sich mit dem Rad aus Maribor herauszufitzen ist mit meinem Kartenmaterial nicht so einfach, geht aber dann im dritten Versuch doch. Große Ausfallstraßen möchte ich natürlich vermeiden. Grau ist auch dieser Tag, aber es regnet nur noch leicht und sporadisch aus den tief hängenden Wolken. Nach den ersten Kilometern im Flachen geht es wieder in hügeliges Gebiet. Die Dorfköter verbellen mich und das wird auch die nächsten Tage noch so weitergehen. Meist sind die Tiere angeleint, aber nicht immer. Zu einem Zwischenfall kommt es zum Glück nicht, aber ich fahre immer gern sehr zügig durch die bewohneten Gebiete. Ich hügele mich weiter durch das Mittelgebirgige und bei besserem Wetter ist es hier sicher sehr schön... Gegen Abend erreiche ich das enge Tal der Sava, in dem mächtige Industrieanlagen aufgebaut sind. In der hereinbrechenden Dämmerung sieht das alptraumhaft aus. An einer Anlage steht ein riesiger Schornstein, der die Abgase wohl aus dem Tal heraushalten soll.

Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=rms ... =trackList
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Schornstein.jpg
Sieht auf dem Foto nicht mehr ganz so gewaltig aus...
die Wolken hängen tief.jpg
die Wolken hängen tief
Zuletzt geändert von Falcon am Mi 8. Dez 2010, 11:34, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Linz - Triest

Beitrag von Falcon » So 5. Dez 2010, 19:22

10. Tag: Die Königsetappe
...davon ahne ich beim Frühstück noch nichts. Auf der Karte sehe ich zwar, dass heute mehrere Hügel bezwungen werden müssen, aber ich weiß nicht, dass es für den Höhenmeter-Rekord reicht. Gleich nach ein paar wenigen lockeren km zum Einrollen geht es ca. 500 hm am Stück nach oben. Nach Überwindung des höchsten Punkts hört auf einmal die Asphaltdecke der Straße auf. Verdammter Mist, dabei ist diese Straße auf meiner Karte noch nicht mal in der kleinsten Kategorie abgebildet. So kullere ich auf dem geschotterten Feldweg weiter, denn eine alternative Route gibt es praktisch nicht und würde mich auch noch die mühsam erklommenen Höhenmeter kosten. Es wird sehr einsam. Alle 10 min kommt mal ein Auto vorbei. Ich hoffe nur, dass meine auf Asphalt getrimmten, fast profillosen Reifen das aushalten. Und auf einmal bin ich da! Mitten im Wald ist das geografische Zentrum von Slowenien erreicht! Der nächste Einwohner muss wohl ein Bär sein. Nach einer gefühlten Ewigkeit durch die dunklen Wälder kann ich die nächste Anhöhe dank EU-Fördermitteln wieder auf Asphalt hochstrampeln. Es folgt eine lange, lange Abfahrt, die mich wieder auf das Höhenniveau des heutigen Morgens bringt. Bei der Überquerung des nächsten Berges verfranze ich mich auf der Höhe zwischen all den kleinen Sträßchen, Dörfern, Anwesen und Bauernhöfen. Die Ausschilderung ist mangelhaft, aber ich komme dann doch relativ einfach zum nächsten Zwischenstop. Irgendwo bei Grosuplje steht ein (pervers) großer Supermarkt den ich bitter zum Auftanken nötig habe. Die Zeit ist schon etwas vorangeschritten, also schnell weiter. In Ig sehe ich das beeindruckende Massiv des Krim-Berges direkt vor mir, der ansatzlos aus der Ebene von 300 m auf über 1100 m emporwächst, so dass sich die Wolken hier selektiv abregnen. „Cool“, denke ich, nicht ahnend, dass ich mich dort noch auf fast 900 m hochschrauben muss. Dieser letzte lange Anstieg des Tages fordert alles und es geht nur noch mit viel guter Musik und Cola voran. Die Abfahrt entlohnt mit einer wunderschönen Abendstimmung. In Cerknica versuche ich ein Quartier für die Nacht zu bekommen, aber in diesem Ort, der gar nicht mal klein ist, kann ich rein gar nichts entdecken. Ein netter Slowene, den ich frage, grübelt auch sehr lange und muss dann zugeben, dass man hier nicht übernachten kann. Mit ein paar Brocken Deutsch kann er mir aber eine Pizzeria mit Gästezimmer mitten in dem nächsten Gewerbegebiet empfehlen. Es wird höchste Zeit, dass ich dort einkehre, denn ich bin fertig und es wird dunkel! Eine riesige Pizza entschädigt für die Strapazen. Jetzt sind nur noch meine Finger gefragt, denn das Messer ist stumpf.

Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=olv ... =trackList
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im Zentrum.jpg
im Zentrum
Berge soweit das Auge reicht.jpg
Berge soweit das Auge reicht
Krim.jpg
Krim - gibt's in Slowenienen als Berg und ich muss da drüber
Abendstimmung.jpg
Abendstimmung

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Re: Linz - Triest

Beitrag von Falcon » So 5. Dez 2010, 19:27

11. Unter Tage
Ich bestelle ein gekochtes Ei zum Frühstück. Es ist dünnflüssig und kann nur 2 min im kochenden Wasser gelegen haben. Ich reklamiere und nach 3 min bekomme ich schon einen Ersatz serviert. Neugierig schlage ich ein Loch in die Schale: wieder flüssig. Als stumme Anklage lasse ich die dünnflüssige Eiweiß-Brühe über den Teller laufen und so stehen. Der Rest des Frühstücks ist aber OK. Heute geht es trotz strahlendem Sonnenscheins unter Tage. Zuerst in ein riesiges Tropfsteinhöhlensystem in Postojna. Leider rauben unglaubliche Massen an Touristen etwas die Stimmung und man wird dort entsprechend durchgeschleust, denn die nächsten Busladungen warten schon draußen. Schade! Ein paar km hinter Postojna ändert sich alles auffällig, als hätte man einen Schalter umgelegt: Der mediterrane Einfluss ist da. Die Landschaft ist weniger bergig, mehr wellig, die Vegetation bietet immergrüne Hartlaubgewächse, die Häuser sind weiß gekalkt mit roten Ziegeldächern, die Kirchen haben einen frei stehenden Glockenturm (campanile), die Hunde sind nicht mehr aggresiv sondern liegen gelangweilt auf der Straße herum und die Matrazen in den Betten sind hart und die Bettdecken dünn. Kurzum, man fühlt sich wie in Italien. Die zweite Höhle des Tages ist die größte Karsthöhle Europas (Škocjanske Jame) und äußerst beeindruckend und wird außerdem trotz Status als Unesco-Weltkulturerbe von weniger Touristen heimgesucht. In einem winzigen Kaff über der Höhle finde ich ein schönes, sauberes Quartier für die Nacht. Leider kann mir der Besitzer kein Abendessen servieren (ich bin ja auch der einzigste Gast). Er ist aber sehr nett und erkärt mir beim Bier anhand Google Maps die günstigste Route für mich als Radler für den nächsten Tag.

Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=xuj ... =trackList
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Kochtöpfe.jpg
Kochtöpfe
Spaghetti-Saal.jpg
Spaghetti-Saal

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Re: Linz - Triest

Beitrag von Falcon » So 5. Dez 2010, 19:33

12. Tag Ans Meer
Zum Frühstück gibt es u. a. vom Wirt selbst gepressten, naturtrüben Apfelsaft. Sehr lecker!!! Irgendwo auf den ersten km des Tages ist die Straße durch Baufahrzeuge mit einer feuchten Mörtelschicht bedeckt. Das häßliche Zeug bäckt sich durch die wärmende Sonne regelrecht an alle Teile des Rades dran und wird sich auch durch den morgigen Regen nicht mehr abwaschen lassen. Heute wollte ich locker ausrollen, aber die letzten km bis zur Küste haben es wieder mal in sich und so ergeben sich von den letzten Hügeln wunderschöne Ausblicke auf die Küste. Man kann den ganzen Golf von Triest überblicken. Im letzten Anstieg des Tages nach Korte gebe ich mir ein inoffizielles Rennen mit einem kleinen Trecker. Ich gewinne in den Serpentinen mit über 10% Steigung deutlich ;-). Ich lasse an der Küste einige Hotelburgen hinter mir und rolle in das pittoreske, auf einer Habinsel liegende Städtchen Piran ein. Ich habe den westlichsten Zipfel von Slowenien erreicht und schlendere noch durch das Gewirr der Gassen in der Altstadt.

Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=pwy ... =trackList
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Spinnig bike.jpg
der erste Prototyp des Spinnig-bikes
Triest.jpg
Blick von Slowenien auf Triest
Piran.jpg
Piran

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Re: Linz - Triest

Beitrag von Falcon » So 5. Dez 2010, 19:39

13. Tag Abreise
Der Tag dient eigentlich nur noch der Überführung zum Abreisepunkt: der Bahnhof in Triest. Die Wirtin des B&B gibt mir noch nützliche Tips und deswegen kann ich entspannt auf einem Radweg meist an der Küste bis nach Koper kullern. In Izola mache ich einen kurzen Zwischenhalt um ein neues Rücklicht zu kaufen. Der mir empfohlene Fahrradladen existiert auch und die sprachlichen Barrieren zwischen dem Verkäufer und mir sind durch Zeigen schnell überwunden. Als Dank für solch außergewöhnlichen Besuch gibt mir der Händler die Batterien gratis dazu. Kurz vor Triest fängt es an zu regnen. Da ich noch viel Zeit habe, warte ich an einem Supermarkt in Muggia auf eine Besserung, aber die tritt nicht ein. Also schwinge ich mich auf den Sattel und fahre durch die Hölle: Es regnet Bindfäden und die Stadtdurchfahrt ist wirklich nicht für Radfahrer zu empfehlen. Aufgrund des Wetters nehme ich die kürzeste, aber deswegen auch sehr verkehrsreiche Route ins Zentrum. Irgendwann muss ich den ins „Centro“ ausgeschilderten Weg verlassen, denn er mündet in eine Stadtautobahn. So dümple ich auf dem Rad vor mich hin, unentschlossen, welche Richtung ich einschlagen soll. Und just in diesem Moment hält ein netter Motorradfahrer neben mir und fragt mich, wohin des Weges ich will. Er fährt mit seiner Honda Africa Twin voran und ich keuche in dem Anstieg hinterher. Ein paar Kreuzungen weiter verabschiedet er sich mit ein paar Tips, wie ich weiter fahren soll. Ohne ihn hätte ich mich wahrscheinlich total in dieser ziemlich hässlichen Stadt verfitzt. Am Bahnhof habe ich noch etwas Verpflegung gefasst und im Zug nach Venedig fing die lange Trocknung der nassen Kleidung an. Meine Zugverbindung: Triest – Venedig – München – Hof – Plauen – Zwickau – Dresden (insgesamt 20,5h).

Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=nti ... =trackList
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Radweg.jpg
Radweg

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Uhle
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Re: Linz - Triest

Beitrag von Uhle » So 5. Dez 2010, 19:46

:hut:
:daumen:
Bild
Was soll man da sagen, mir fehlen die Worte.
Dein Begleiter hat dich wohl unterwegs verlassen?

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mi67
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Re: Linz - Triest

Beitrag von mi67 » Mo 6. Dez 2010, 08:35

Falcon hat geschrieben:... 13. Tag Abreise
Wow, eine eindrucksvolle Tour weit abseits der meist-eingerollten Pfade! Dass man gastronomisch im Hinterland "noch was erleben kann", erinnert mich an die Situation von ca. 30 Jahren (!), als wir auch einmal im damals noch geeinten Yugoslavien durch Hinterland heimreisten (nicht mit Rad, sondern mit Pappi im Auto) und abenteuerliche Unterkünfte und Verpflegungen erlebten.

Einen Hauch vom Chaos konnten wir ja schon früher im Jahr aus Chelms Bericht zur Istrien-Rundfahrt erahnen ... ;)


Wie kamt Ihr / kamst Du denn auf die Streckenauswahl?
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SchmidtsKatze
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Re: Linz - Triest

Beitrag von SchmidtsKatze » Mo 6. Dez 2010, 17:28

sehr, sehr schöne Tour und hautnah berichtet - mein Respekt! :daumen:
ich habe ein Motivationsproblem - bis ich ein Zeitproblem habe...

mirage
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Re: Linz - Triest

Beitrag von mirage » Mo 6. Dez 2010, 18:40

:daumen:

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