Stelvio 2011
Verfasst: Mi 1. Jun 2011, 20:41
Frühstück heute (14.05.2011) morgen um 8:30 Uhr. Mein Freund und ich hatten ein Hotel direkt am Fuße des Stelvio. Am Abend sollte es regnen, also hatten wir vor, um 10:00 Uhr zu starten - dies sollte reichen. Der Tag sollte nicht allzu heiß werden. Die Ernüchterung kam am Frühstückstisch: starker Regen, nasse Straßen und dicker Nebel. Die Stimmung war am Boden - wir hatten nur diesen einen Tag und müssen am Sonntag wieder abreisen.
Am Ende des Frühstückes hörte es auf zu regnen und der Himmel riss ein wenig auf. Besserung war in Sicht - die Aussicht, den Stelvio auf nassen Straßen im Nebel hoch und wieder runter zu fahren zu müssen war jedoch extrem ernüchternd. Zum Glück wollte mein Freund (Francois) noch dringend eine Beinmassage, weshalb sich unsere Abfahrt bis 10:30 Uhr verzögerte. In dieser Zeit riss der Himmel vollends auf und die Nebelschwaden verzogen sich aus dem Tal. Optimistisch setzten wir uns auf die Räder und los ging die Fahrt. Francois hatte seine Gels und Riegel in Berlin vergessen - also wurde geteilt und der Reiseproviant schrumpfte auf einen Riegel und ein Gel.
Bereits nach 10 km begann der Anstieg. Zunächst noch moderat mit 4-5% zog sich die Straße tief ins Tal. In der Zwischenzeit erschien absolut unerwartet die Sonne und am Himmel konnte man die Wolken suchen. Wir bekamen das Gefühl, dass unser Vorhaben unter einem guten Stern stand. Die Beine fühlten sich nach der lockeren Runde vom Vortag perfekt an. Ich hatte die lange Redvil Hose, ein langes Funktionsshirt sowie das kurze Trikot an; als Reserve dabei: eine Windweste, Armlinge und ein dünnes Tuch für den Hals.
Die Gespräche wurden weniger und verebbten ganz. Teilweise zeigte der Garmin auf kurzen Stücken 17% an so dass wir anfingen, uns auf uns selbst zu konzentrieren und keine unnötige Energie zu verschwenden. Mein Freund musste bereits vor Kehre 1 aus dem Sattel, ein Spiel, dass ich nur all zu gut kannte. Er bleibt auf den Scheitelpunkten fast stehen, was es mir unmöglich machte, hinter ihm zu fahren. Einmal vor ihm, verlor ich ihn bald vom Hinterrad.
Endlich begann das Zählen. Kehre 48 und 47 in kurzer Folge. Wir warfen uns über die Kehren einen letzten Blick und ein aufmunterndes "Ale, ale!" zu (er kommt aus Kanada) und dann fuhr jeder von uns vollends für sich. Langsam fuhr ich in den Waldbereich ein. Ein herrlicher Duft zog durch die Bäume und es war vollkommen still. Durch die Sperrung war kein einziges Auto unterwegs. Relativ schnell ging es mit 39-23 bis hin zu Kehre 33, der Anstieg lag bei durchschnittlich ca. 9%. Dann kam die sperrende Schranke und ich wartete auf Francois. Ich musste 10 min. warten - Zeit die Sachen zu trocknen und das Gel zu verputzen. Es war zwischenzeitlich bereits 11:50. 12:10 fuhren wir gemeinsam weiter, jeder in seinem Tempo. Der Start nach der Pause tat weh aber bereits kurze Zeit später verrichteten die Beine nahezu maschinell ihren Dienst. Erst ab Kehre 28 musste ich auf die Reserven zurückgreifen, von da an ging es konstant mit 39-27 weiter.
HinterKehre 28 stand ein Bagger abgestellt quer zur Straße und versperrte den Weg. Diesem Bagger bzw. seiner dienstfreien Zeit haben wir den Anstiegt überhaupt zu verdanken. Dennoch gab er sich nicht kampflos geschlagen. Ich musste das Rad tragen und auf den Randbegrenzungssteinen balancierend am Bagger vorbei manövrieren, links von mir ging es ca. 30 m nach unten. Geschafft! Weiter gehts. Ich fuhr aus der Baumgrenze heraus und die Straßenqualität nahm konstant ab. Hier hatte nach dem Winter noch niemand geräumt. Sand, Schotter, kleine und große Steine - alles war vertreten und quer über die Straße verteilt. So kam zum Anstieg noch ein tüchtiges Manövrieren auf gerader Strecke. Zum Glück lenkte dies davon ab, regelmäßig nach oben zu schauen. Dort konnte man bereits die Passhöhe sehen - jedoch war diese so winzig klein, so hoch und so viele Kehren entfernt, dass einen leicht die Motivation verlassen könnte. Lustig waren die Horden von Erdmännchen, die die Straße und die angrenzenden Hänge bevölkerten. Sie fühlten sich durch mich offenbar bedroht und rannten um ihr Leben, wann immer ich eine Kehre nahm. Witzigerweise kamen sie hinter mir gleich wieder aus ihren Löchern und schimpften um die Wette.
Die letzten Kehren waren wirklich beschwerlich: die Steine nahmen zu, der tauende Schnee hinterließ starke Rinnsale, überhängernder Schnee drohte auf die Straße zu kippen, es war kalt, mein Knie tat weh und irgendwie hatte ich langsam keine Lust mehr. Es waren nicht die Beine, der Kopf sprach dem Vorhaben, 48 Kehren unter diesen Bedingungen absolvieren zu wollen jedoch jede sinnvolle Erklärung ab. Dies änderte sich ab Kehre 10 - diese magische Zahl und die nahe Passhöhe beflügelten mich und mit 12 kmh "flog" ich dem Ziel entgegen. Ich zählte nicht mit, aber irgendwann stand eine 500 m und tornate 1 auf den Asphalt geschrieben - ich war etwas irritiert (ich hatte nicht damit gerechnet, dem Ziel so nahe zu sein) und im nächsten Moment völlig überrascht - kaum hatte ich die letzte Kehre genommen, war eine Weiterfahrt unmöglich, auf der Straße lagen ca. 1,5 m Schnee bis hoch zur Passhöhe. Bis zum Gipfel fehlten 200m und ca. 20 hm.
Dafür bot sich von Kehre 1 ein wohl beispielloses Panorama bei perfektem Wetter. Meine Beine fühlten sich immer noch gut an, das Training hatte sich also ausgezahlt. Ich war etwas enttäuscht, da das Glücksgefühl sich nicht annähernd so überwältigend einstellen wollte wie beim "ersten Mal" vor zwei Jahren. Dafür bleibt einem beim Anblick der Berge, der Landschaft, der Kehren und in Anbetracht der eigenen Leistung wahrlich der Mund offen stehen.
Die Abfahrt gestaltete sich bis Kehre 33 aufgrund der Straßenverhältnisse schwierig. Von da an konnten wir fast nachhause rollern. Fazit: an diesen Pass könnte ich mich wirklich gewöhnen: landschaftlich in einer der reizvollsten Regionen des Vinschgau bietet er mit überwiegend moderaten Prozenten ein langes Klettererlebnis der Extraklasse.
Am Ende des Frühstückes hörte es auf zu regnen und der Himmel riss ein wenig auf. Besserung war in Sicht - die Aussicht, den Stelvio auf nassen Straßen im Nebel hoch und wieder runter zu fahren zu müssen war jedoch extrem ernüchternd. Zum Glück wollte mein Freund (Francois) noch dringend eine Beinmassage, weshalb sich unsere Abfahrt bis 10:30 Uhr verzögerte. In dieser Zeit riss der Himmel vollends auf und die Nebelschwaden verzogen sich aus dem Tal. Optimistisch setzten wir uns auf die Räder und los ging die Fahrt. Francois hatte seine Gels und Riegel in Berlin vergessen - also wurde geteilt und der Reiseproviant schrumpfte auf einen Riegel und ein Gel.
Bereits nach 10 km begann der Anstieg. Zunächst noch moderat mit 4-5% zog sich die Straße tief ins Tal. In der Zwischenzeit erschien absolut unerwartet die Sonne und am Himmel konnte man die Wolken suchen. Wir bekamen das Gefühl, dass unser Vorhaben unter einem guten Stern stand. Die Beine fühlten sich nach der lockeren Runde vom Vortag perfekt an. Ich hatte die lange Redvil Hose, ein langes Funktionsshirt sowie das kurze Trikot an; als Reserve dabei: eine Windweste, Armlinge und ein dünnes Tuch für den Hals.
Die Gespräche wurden weniger und verebbten ganz. Teilweise zeigte der Garmin auf kurzen Stücken 17% an so dass wir anfingen, uns auf uns selbst zu konzentrieren und keine unnötige Energie zu verschwenden. Mein Freund musste bereits vor Kehre 1 aus dem Sattel, ein Spiel, dass ich nur all zu gut kannte. Er bleibt auf den Scheitelpunkten fast stehen, was es mir unmöglich machte, hinter ihm zu fahren. Einmal vor ihm, verlor ich ihn bald vom Hinterrad.
Endlich begann das Zählen. Kehre 48 und 47 in kurzer Folge. Wir warfen uns über die Kehren einen letzten Blick und ein aufmunterndes "Ale, ale!" zu (er kommt aus Kanada) und dann fuhr jeder von uns vollends für sich. Langsam fuhr ich in den Waldbereich ein. Ein herrlicher Duft zog durch die Bäume und es war vollkommen still. Durch die Sperrung war kein einziges Auto unterwegs. Relativ schnell ging es mit 39-23 bis hin zu Kehre 33, der Anstieg lag bei durchschnittlich ca. 9%. Dann kam die sperrende Schranke und ich wartete auf Francois. Ich musste 10 min. warten - Zeit die Sachen zu trocknen und das Gel zu verputzen. Es war zwischenzeitlich bereits 11:50. 12:10 fuhren wir gemeinsam weiter, jeder in seinem Tempo. Der Start nach der Pause tat weh aber bereits kurze Zeit später verrichteten die Beine nahezu maschinell ihren Dienst. Erst ab Kehre 28 musste ich auf die Reserven zurückgreifen, von da an ging es konstant mit 39-27 weiter.
HinterKehre 28 stand ein Bagger abgestellt quer zur Straße und versperrte den Weg. Diesem Bagger bzw. seiner dienstfreien Zeit haben wir den Anstiegt überhaupt zu verdanken. Dennoch gab er sich nicht kampflos geschlagen. Ich musste das Rad tragen und auf den Randbegrenzungssteinen balancierend am Bagger vorbei manövrieren, links von mir ging es ca. 30 m nach unten. Geschafft! Weiter gehts. Ich fuhr aus der Baumgrenze heraus und die Straßenqualität nahm konstant ab. Hier hatte nach dem Winter noch niemand geräumt. Sand, Schotter, kleine und große Steine - alles war vertreten und quer über die Straße verteilt. So kam zum Anstieg noch ein tüchtiges Manövrieren auf gerader Strecke. Zum Glück lenkte dies davon ab, regelmäßig nach oben zu schauen. Dort konnte man bereits die Passhöhe sehen - jedoch war diese so winzig klein, so hoch und so viele Kehren entfernt, dass einen leicht die Motivation verlassen könnte. Lustig waren die Horden von Erdmännchen, die die Straße und die angrenzenden Hänge bevölkerten. Sie fühlten sich durch mich offenbar bedroht und rannten um ihr Leben, wann immer ich eine Kehre nahm. Witzigerweise kamen sie hinter mir gleich wieder aus ihren Löchern und schimpften um die Wette.
Die letzten Kehren waren wirklich beschwerlich: die Steine nahmen zu, der tauende Schnee hinterließ starke Rinnsale, überhängernder Schnee drohte auf die Straße zu kippen, es war kalt, mein Knie tat weh und irgendwie hatte ich langsam keine Lust mehr. Es waren nicht die Beine, der Kopf sprach dem Vorhaben, 48 Kehren unter diesen Bedingungen absolvieren zu wollen jedoch jede sinnvolle Erklärung ab. Dies änderte sich ab Kehre 10 - diese magische Zahl und die nahe Passhöhe beflügelten mich und mit 12 kmh "flog" ich dem Ziel entgegen. Ich zählte nicht mit, aber irgendwann stand eine 500 m und tornate 1 auf den Asphalt geschrieben - ich war etwas irritiert (ich hatte nicht damit gerechnet, dem Ziel so nahe zu sein) und im nächsten Moment völlig überrascht - kaum hatte ich die letzte Kehre genommen, war eine Weiterfahrt unmöglich, auf der Straße lagen ca. 1,5 m Schnee bis hoch zur Passhöhe. Bis zum Gipfel fehlten 200m und ca. 20 hm.
Dafür bot sich von Kehre 1 ein wohl beispielloses Panorama bei perfektem Wetter. Meine Beine fühlten sich immer noch gut an, das Training hatte sich also ausgezahlt. Ich war etwas enttäuscht, da das Glücksgefühl sich nicht annähernd so überwältigend einstellen wollte wie beim "ersten Mal" vor zwei Jahren. Dafür bleibt einem beim Anblick der Berge, der Landschaft, der Kehren und in Anbetracht der eigenen Leistung wahrlich der Mund offen stehen.
Die Abfahrt gestaltete sich bis Kehre 33 aufgrund der Straßenverhältnisse schwierig. Von da an konnten wir fast nachhause rollern. Fazit: an diesen Pass könnte ich mich wirklich gewöhnen: landschaftlich in einer der reizvollsten Regionen des Vinschgau bietet er mit überwiegend moderaten Prozenten ein langes Klettererlebnis der Extraklasse.