24h-Rennen auf dem Nürburgring

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Izoard
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24h-Rennen auf dem Nürburgring

Beitrag von Izoard » Mi 24. Aug 2011, 20:26

Die 24-Stunden von Nürburg

Das Projekt startete eigentlich schon ein reichliches halbes Jahr vorher. Ein „Aufruf“ von Blue64, alias Rolf setzte die Vorgänge in Gang. Nach kurzen Überlegungen der einzelnen Protagonisten gingen die „Meldungen“ ein und die „teaminternen Startplätze“ waren schnell vergriffen.
Von allein wäre ich nicht darauf gekommen, ein 24-Stunden-Rennen zu fahren, aber wenn andere mitkommen, leidet man nicht allein…und so meldete ich mich an.
Unsere Truppe war bunt zusammen gewürfelt. Wir kannten uns vorher nicht und so sorgte ein gemeinsames Treffen im April für Änderung.
Wir schmiedeten sogleich Pläne für eine Vorbereitung auf das Rennen mit speziellen Nachtfahrten und so…Dazu ist es nicht gekommen und es war auch nicht notwendig, da wir ja auf dem Nürburgring sowieso alleine fahren würden. Die Veranstaltungen, an denen jeder von uns übers Jahr teilnehmen würde, sorgten schon für genug Vorbereitung. 3 von uns waren an der Ostseetour beteiligt und die RTF in Krostitz sorgte für ein finales Treffen vor der Tour mit präzisen Reisevorbereitungen.

Die Stimmung war gut in unserem durchaus „großen“ Team. Wir waren zwar nur 4 Leute, aber mit meinen 1, 90 m war ich der drittgrößte. Andreas sorgte mit einer 2 vor dem Komma für den höchsten Wert, gefolgt von Rolf mit 1,91m, Nur der Peter drückte mit 1,73m den Durchschnitt. Manchmal hatte man den Eindruck, dass sich ein Basketballteam eine neue Herausforderung sucht…

Ein Nachteil waren diese für Radsportler großen Werte durchaus nicht, wie sich später herausstellen sollte.

Am Freitag fuhren wir, allerdings getrennt, in zwei Zweierformationen in die Eifel, nach 6 Stunden Fahrt war auch das erledigt. Rolf und Andreas hatten unsere Behausung schon aufgebaut. Ein großes 4-Mann-Zelt mit kleinem Vordach. Wenn alle vier drinnen schlafen würden, wird es eng, sagte ich. Mein Auto ist groß genug und so hatte ich für zwei Nächte ein „Einzelzimmer“.

Alles wurde aufgebaut, thematisch stimmten wir uns auf das Kommende ein und der Abend klang gesellig aus.

Dann haben wir noch unsere Startunterlagen geholt und an der „Pastaparty“ teilgenommen. Das Essen war wirklich nicht der Hit…aber deswegen sind wir ja nicht hier.
Eine kleine Fahrradmesse war aufgebaut und auf einer großen Leinwand liefen Bilder von Fahrradfahren auf der Strecke – Einstimmung.

Samstag früh. Der Zeltplatz erwachte. Tausende, wirklich Tausende waren angereist und haben das Innere des Nürburgrings in ein riesiges Fahrerlager verwandelt. Gut, der Nürburgring kennt Fahrerlager zur Genüge, aber bei uns waren es deutlich mehr.

Morgentoilette (das einzig nicht Erwähnenswerte waren die Toiletten), Frühstück.

Wollen wir uns „warm fahren“? Es war warm, ganz schön sogar. „Wenn das so bleibt, wird es eine Hitzeschlacht.“ sagte ich und „Die Strecke will ich aber vorher einmal gefahren sein“. 26 km sind nicht viel. Keiner kam mit, also schnappte ich mir meinen Boliden und fuhr los. Klasse diese Kurven, die rot-weißen Radsteine. Zügig nahm ich Fahrt auf, weniger durch meine Tritte, sondern mehr durch das zunehmend stärker werdende Gefälle.

Die Eifel, geprägt von früherer aktiver Vulkantätigkeit, präsentierte die ganze Palette radsportlicher Herausforderungen (außer Kopfsteinpflaster  ), Kurven, Abfahrten, Anstiege in unterschiedlichsten Formen und was besonders war kein Gegenverkehr. Man konnte sich vertrauensvoll in die Kurve hauen. Die vorbei fliegenden rot-weißen Randsteine verschwammen zu einem hypnotischen Flackern, welches nur noch zu mehr Geschwindigkeit aufforderte…

Und so rollte ich mit immer besser werdender Ideallinie dem tiefsten Punkt der Runde entgegen. Die Kurven nahm ich noch mit einem gewissen Respekt. Wie weit kann ich mich reinlegen? Wie weit muss ich ausholen? Wann bremse ich vor der Kurve an? Welche Geschwindigkeit kann ich mir zumuten? All das sind Fragen, die sich einem plötzlich stellen, wenn der Tacho ruck zuck 60 km/h zeigt nur um sich schnell Richtung 70 zu verabschieden und das über mehrere Kilometer. Mich hätte es nicht gewundert, wenn sich der Speichenmagnet auf Grund der Fliehkräfte Richtung Felge verabschiedet hätte – hat er nicht, es wäre aber eine schöne Anekdote gewesen.

Die ersten 10 km waren in rund 13 min abgespult und jetzt kam er, der lange Anstieg zur „Hohen Acht“. 5 km mit 8 – 17 % Steigung. Ich nahm das kleine Blatt und schaltete auch hinten nach oben. Ich hatte noch ein Laufrad mit max. 23 Zähnen drauf. Die sollten reichen, dachte ich. Schnell hatte ich das 21er drauf und als ich das 23er draufmachen wollte glitt die Kette nicht hoch. Der Anschlag war verstellt. Keine Chance, kein Schraubendreher. Also kurbelte ich den ganzen Berg mit 39/21 hoch. Das hatte mit warm fahren nichts mehr zu tun. Das war fahren auf Ankommen. Ich habe gelitten und war froh an dem abschließenden rund 200m langen 17 %er nicht absteigen zu müssen. Die folgenden Passagen nutzte ich um mich zu erholen. Wollte ich doch nicht die Kräfte schon im Vorfeld verschießen. Schließlich galt es die Runde noch sechs Mal zu fahren. „Im Ziel“ wollte die anderen schon wissen wie es war „da draußen“. „bergig“, sagte ich „bergig“. Mit einem Schraubendreher veränderte ich noch den Endanschlag der Schaltung und mein 23er war wieder einsatzfähig. Eine kleine Stimme sagte mir, dass ich das zusätzlich mitgebrachte Laufrad mit dem 12/27 Ritzelpaket nehmen sollte. Aber wie das so ist mit den inneren Stimmen, sie werden erstmal überhört und so setzte ich hier schon die Grundlage für eine weitere Belehrung durch den Nürburgring…

Der Vormittag verging und die Startzeit von 13:15 Uhr rückte näher. Ab 13 Uhr wurden noch andere Rennen gestartet, u.a. ein 150 km Rennen. Bei der Hitze, die sind nicht zu beneiden, dachte ich mir. Da fahre ich doch lieber eine Runde und die in Abständen immer wieder. Die 150km Fahrer werden über uns ähnlich gedacht haben – die sind morgen noch hier. Und so findet die Psyche immer die Vorteile für die eigene Situation.

13:15 Uhr – es galt. Wir starteten in der Reihenfolge: Rolf, Ralf, Peter, Andreas. Unserer Behausung lag rund 1 km nach Start und Ziel. Gleich müsste der Rolf kommen. In einem Pulk von hunderten rollte der Rolf an uns vorbei. Freundlich grüßend und (noch) lächelnd fuhr er an uns vorbei. Eine knappe Stunde bis zum ersten Wechsel.

Eine knappe Stunde? Nach 47 min war er wieder „drin“. Ralf geht auf die Piste. Die ersten 9 km gehen weitestgehend bergab. Nur die Quiddelbacher Höhe und der Aremberg kurz vor der Fuchsröhre boten kleine Anstiege, welche aber mit dem Schwung der vorangegangenen Abfahrt bewältigt werden konnten. Die Fuchsröhre ist der Hammer! Auf rund 2 km geht es derart bergab, dass man gar nicht weiß, was man zuerst genießen soll: Die hohe Geschwindigkeit, das Beherrschen des Rades, die Gratwanderung auf dem schmalen Pfad des durchaus vorhandenen Risikos. Man lenkt nur mit leichten Oberkörperverlagerungen. Die Geschwindigkeit regelt man mit dem Aufrichten oder Absenken des Oberkörpers. Ein Hoch auf die Physik …Selbst die leichten Verschwenkungen der Straße fordern die volle Aufmerksamkeit. Wir, als gelernte Flachländer, bewegen unsere Räder selten in solchen Geschwindigkeitsbereichen und deshalb ist neben aller Begeisterung auch Vorsicht angesagt. Dazu kommt, dass wir auch noch die Strecke kennen lernen mussten. Das taten wir „am offenen Herzen“ sozusagen beim Rennen.
Doch mit jeder Runde traute man sich mehr, man wurde sicherer. Dass unsere Zeiten trotzdem nicht schneller wurden hatte erst mit der Dunkelheit und am nächsten Tag mit Erschöpfung zu tun…glaube ich.

Dann kam er, der km 9. Die ersten Meter noch im Schwung bremste uns die nun abgebaute kinetische Energie auf den Boden der Tatsachen. Das Rad rollte aus, die Zahl auf dem Tacho näherte sich der 15. Dort verharrte sie eine Weile, um sich dann unbarmherzig in den einstelligen Bereich zu bewegen. Das 39 war schnell aufgelegt und hinten wanderte die Kette schnell Richtung 21er. Ich konnte gar nicht so schnell gucken, hatte ich die Hand schon wieder am Schalthebel, um das 23er aufzulegen. Aber ich war noch nicht mal in der Mitte des Anstieges…Schaltungstechnisch hatte ich keine Reserven mehr und wenn, dann lagen die in Form eines Laufrades mit einer 12/27er Kassette im Auto…Meine Arroganz gegenüber der Topografie rächte sich. „Das erste, was ich mache, wenn ich im Ziel bin, ist umbauen.“ Ich versuchte flüssig zu treten. Dass ich langsam war wusste ich ja, aber dass nebenher fliegende Wespen mich als, aus ihrer Sicht wohlriechendes und vor allem STEHENDES Objekt wahrnahmen, gab mir fast den Rest und motivierte mich alles zu geben. Ich wechselte immer mal die Positionen und irgendwie gelangte ich dann zur Hohen Acht. Dieser 17%er, mit welchem der Anstieg sich von uns verabschieden wollte. Ich trat, ich zog…am Rand sah ich einige Sportler ihr Rad schieben. Nein, das machst Du nicht, Du steigst nicht ab – diese Schmach…Irgendwie musste ich an die RTF in Krostitz denken, in den Momenten reißen zu lassen motivierte mich Sven: „Du bleibst jetzt dran!“. Diese Worte gingen mir durch den Kopf – und es half, Danke Sven….

Die nun folgenden Sektoren Wipperman, Eschbach, Brünnchen waren leicht wellig, aber mit schweren Beinen trotzdem ordentlich. Die Hitze tat ein Übriges, wenn das so weitergeht, wird das eine Hitzeschlacht. In knapp 50 min Fahrzeit übergab ich an meinen „Nachfolger“ Peter. Rolf hatte den Transponder in die Griffmulde einer (leeren!)0,7l Trinkflasche gemacht und die übergaben wir sozusagen als „Staffelflasche“. Pro Runde brauchte man nur eine Flasche zu trinken. Platz im Flaschenhalter war also.

Die Sonne brannte, die Oberschenkel auch…
Ich war froh im Ziel zu sein und Peter ging auf seine erste Runde. Reichlich 2 ½ Stunden bis zum nächsten Start. Duschen, essen…nein, Hinterrad umbauen! Endlich habe ich ein 25er, das 27er nur zur Not, dachte ich zu diesem Zeitpunkt noch…

Auch Peter war nach rund 50 min wieder da. Und das war auch ein Vorzug unserer Mannschaft, die Zeitabstände pro Mann pro Runde waren sehr gering, die Leistungsfähigkeit aller 4 lag nah beieinander. Peter empfand „die Wellen in der Landschaft“ (O-Ton) nicht als so gefährlich, wie befürchtet. Auch er erlebte keine kritischen Situationen.

Als 4. geht unser „Langer“ Andreas auf die Strecke. Er bezeichnete die erste Runde als Kennenlernrunde, die Abfahrten empfand er als schnell bis sehr schnell. Seine Bemerkung zu den Anstiegen: „Wenn man nicht den Ehrgeiz hat, jeden überholen zu wollen, kommt man ganz gut hoch.“ Dass ein Fahrer ihn auf einer Abfahrt sehr knapp überholt hat, überraschte ihn dann doch. Mit 55 min blieb auch er unter einer Stunde. Wenn das so weiter geht, kommen wir auf deutlich mehr als 24 Runden. Dass es dann nur eine mehr geworden ist, lag daran, dass die Organisatoren die Streckenführung durch das Fahrerlager gegen 16 Uhr änderten. Das hatte zur Folge, dass die Runde ca. 2 km länger wurde.

Es ist jetzt dreiviertel sechs abends und der Rolf eröffnet den 2. Durchlauf. Eine gewisse „Wechselroutine“ stellte sich ein. Ein Klaps auf die Schulter und die guten Wünsche der anderen rollten mit.

Hunger machte sich breit. Ralf und Peter machten sich auf und holten sich auf dem BMW-Boulevard einen Teller Spaghetti und ein alkoholfreies Weizen (auf Gutschein).
Gestärkt gingen wir zurück in unser Basislager. Diese Stärkung würden wir brauchen, wenn der 2. Durchlauf zu Ende ist, geht es in unsere Doppelnachtrunden. Nachts 2 Runden zu fahren ist sicher mental eine Belastung, beschert es den anderen doch eine längere Mütze Schlaf, wenn das geht bei der Hitze. Es wurde eine warme laue Sommernacht. Über die Wärme schimpfte ich nicht, es hätte auch ganz anders kommen können.

Es ist jetzt 20.15 Uhr und Rolf geht auf seinen ersten Zweiründer. Noch ist es hell, aber wenn er wieder da ist, wird es dunkel sein. Peter und Andreas versuchen zu schlafen und ich mein Rad mit den von Frank geborgten Super IQ Busch&Müller LED-Lampen auszustatten. Zwei Scheinwerfer, die dem vorher fahrenden ein verfolgendes Moped suggerierten. Mit zusammen 100 Lux brannten sie mir die Straße hell, dass eine ebenso helle Freude war. Hier auch ein Kompliment an den Veranstalter: Die kritischen Stellen in den Abfahrten, z. B. die Fuchsröhre waren mit Flutlichtscheinwerfern ausgeleuchtet. Sehr zur Sicherheit der Fahrer (und ihrer Fahrzeiten).

Wenn alles gut läuft müsste der Rolf 22:15 Uhr wieder da sein. Einige Minuten vorher postierte ich mich am Straßenrand und pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk kam er um die Ecke gesaust. Flaschenübergabe, gute Wünsche und los.

Da lag es nun vor mir, dieses dunkelgraue Band aus Asphalt. Naja, ganz so dunkel war es dann doch nicht. Die ersten rund 3 km fuhr man nun durch ein Spalier von Scheinwerfern, welche die temporären Behausungen erhellten und Erkennungslampen (die hatten manche Teams zum besseren Auffinden für ihre Mannschaftskameraden aufgestellt). Die Formel-1-Strecke verlassen, wurde es dunkler. Wie nehme ich die Abfahrten im Dunkeln? Dreimal (inkl. Proberunde) war ich jetzt rumgefahren. Reicht das als „Erfahrung“ aus? Es reichte und es war hell genug…

Der Fahrtwind kühlte meinen verschwitzten Körper bis km 9. Da kam der obligatorische
5 km- Anstieg. Am Anfang des Berges war die Straße noch ziemlich gerade, so dass man die vor einem fahrenden Fahrer sehen konnte. Ein schier unendliches Band roter Lichter türmte sich vor mir auf. Wenn man zurück sah blickte man in ein weißgelbes Leuchtenband. Ich versuchte meinen Rhythmus zu finden. Nebenbei bemerkt: Das 27 Ritzel war kein Rettungsring sondern ständiger Begleiter meiner Kette… Als bergradsportliche Anlernkraft kurbelte ich nun zwischen all den diplomierten und habilitierten Hochschulabsolventen, welche an den Universitäten Schwarzwald und Alpen eine exzellente Ausbildung erhalten hatten. Glücklicherweise war ich hier in der Nahrungskette nicht ganz unten und hatte auch meine Erfolge. Schwitzend und froh es wieder einmal geschafft zu haben, fuhr ich am an der Hohen Acht eingerichteten Verpflegungspunkt vorbei. Zu trinken hatte ich noch genug. Wir hatten km 15 der Runde, noch 11 bis zur ersten Passage unserer Behausung.

Mal sehn, ob einer draußen steht und mich begrüßt, dachte ich. Keiner war da, als ich vorbei fuhr. Fein, dachte ich, sozial nicht ganz vorn, aber es zeugte von einer disziplinierten Einstellung zum Rennen – schlafen. In Gedanken an meine ausgeruhten Mannschaftskameraden machte ich mich auf meine 2. Nachtrunde: Ausgeleuchtetes Fahrerlager, lange, dunkle Abfahrt und wieder der Anstieg…Es ist schon mystisch: Da ist es 23:30 Uhr und man kurbelt, schweigend nebeneinanderher fahrend den Berg hoch. „Das Schweigen der Männer“, sagte ich zu einem Tretnachbar. Der guckte kurz hoch, grinste und fiel wieder in seinen Trancezustand. Andere gehen jetzt aus und dröhnen sich mit Bässen zu. Ich will nicht tauschen…

Die Hohe Acht näherte sich, Prüfung und Ende gleichzeitig. Wenn ich die geschafft habe, ist das andere nur ein Kinderspiel. Ich war oben. Noch 11 km bis zum Wechsel. Was ist, wenn einer verschlafen hat? Nein der Peter hat nicht verschlafen. Geputzt und munter stand er erwartungsvoll da und sann schon meiner. Flaschenübergabe und ein paar Mut machende Worte schickte ich ihn auf die Strecke. Komm gut durch, wünschte ich ihm.

Die anderen beiden schliefen. Das wollte ich auch so schnell wie möglich. Ich rechnete mir aus, wann ich das nächste Mal dran sein würde. Es ist jetzt 00:15 Uhr. Wenn´s gut läuft starte ich halb sechs. Am Rad habe ich alles so vorbereitet, dass ich nur noch aufsteigen muss. Neue Klamotten hingelegt und in den Schlafsack. Den Wecker habe ich auf 4:45 Uhr gestellt, damit ich dann nach 3x ausdrücken auch um 5 aufstehe. Das mache ich zu Hause auch immer. Reichlich vier Stunden Schlaf. Dazu ist es nicht gekommen. Es war warm und ich musste mich erstmal runterfahren. Ich denke 2 ½ Stunden sind es dann doch noch geworden. 5 Uhr aufstehen. Das ist MEINE Zeit. Du guckst aus der Wäsche wie ein Schell Daus (würde ich als Altenburger sagen). Genetisch bin ich eine Eule, doch das zählt hier nicht. Das ist ein 24h-Rennen.

Der Rolf war auf Strecke. Er hatte bis jetzt immer die schnellsten Rundenzeiten geliefert und da möchte man schon pünktlich sein…Ich hatte gerade die Schuhe zu gemacht, da kam er schon. Ein fliegender Wechsel sozusagen. Wenn ich wieder da bin, wird es hell sein. Meine Superlampen brannten mir noch einmal eine Schneise des Lichts in die letzten Zuckungen der Nacht, welche nun der Morgendämmerung Platz machte. Am obligatorischen Anstieg war es schon hell und trotz der vielen Reisenden still…Diese wollte ich nicht unterbrechen und verzichtete diesmal auf irgendwelche Sprüche. Hochfahren war die Devise.

Die Schwüle kroch in jede Pore und aus ihr dann der Schweiß. Es ging berghoch, der Fahrtwind war eine zu vernachlässigende Größe. Den Kopf gesenkt über den Lenker tropften die Schweißperlen an die Innenseite der Brillengläser und die verschwommene Sicht ergänzte hier nur noch den Geisteszustand. Treten, machen, los. Ständig getränkt von den nassen Handinnenflächen schäumte das Lenkerband vor Nässe. Oben! Gas geben. Je schneller ich fahre umso früher bin ich da. Die Übergabe an Peter war nur noch reine Formsache.
In der Schwüle gab es einen kleinen Wetterumschwung, es zog sich zu. Die letzten 3 km fuhr ich im stärker werdenden Nieselregen. Peter würde im Regen fahren, was an sich nicht so schlimm ist, aber die Straßen und die Abfahrten würden gefährlicher.

Fahr doch, dachte ich mir, froh im Ziel zu sein. Komm gut durch und riskiere nicht zu viel, fahr lieber etwas langsamer und stürze nicht, dachte ich ihm noch hinterher. Die aufsteigenden Rettungshubschrauber und umher fahrenden Krankenwagen zeugten von den nun veränderten Straßenverhältnissen. Im Ziel? Nein, das war noch nicht meine/unsere letzte Runde. Wenn Peter und Andreas drin sind. Ist es für jeden nur noch eine. Und weil wir am Ende so gut waren für Rolf sogar noch zwei. Das Reglement besagt nämlich, wenn der letzte Fahrer bis 12:45 Uhr ins Ziel kommt, darf noch einer raus und die Runde wird dann noch gewertet. 12:30 Uhr war es als Andreas nach einer guten letzten Runde ankam. Rolf musste, wollte und konnte noch mal ran. Beneidet hat ihn, glaube ich, keiner, aber er hatte alle guten Wünsche von uns mit auf die Reise bekommen.

Das Wetter besserte sich und als der Andreas auf seine vorletzte Runde ging trockneten die Straßen schon wieder ab. Die Sonne kam für den Rest des Tages raus und als Rolf auf seine vorletzte und Ralf als erster auf seine letzte Runde ging, war der Sommer wieder da. Da wussten wir schon, dass wir 25 Runden packen würden. Wir waren stolz, es geschafft zu haben. 24-Stunden. Keiner hatte so etwas vorher schon mal gemacht. 3 von uns hatten die Ostseetour gefahren. Das kann man als Vorbereitung gelten lassen und ist dennoch etwas anderes. Kämpfen muss man überall.

Auch das Streckenprofil erinnerte nicht im Entferntesten an die Heimat. Im Anschluss an Rolfs Ankunft holten wir noch unsere Medaillen und noch etwas zu Essen und brachten den Transponder weg, die Voraussetzung für unsere elektronischen Duftmarken war.
Es folgte der Rückbau unserer temporären Behausung und wir machten noch ein paar Bilder.
Andreas hatte in weiser Voraussicht auf „den Sieg“ ein Flasche Sekt mitgebracht. In den flugs organisierten Plastebechern verteilte sich deren Inhalt dann noch in unseren Mägen.

Bei der Nachhausefahrt schlich sich dann die körperliche Müdigkeit in den Kopf. Die Heimfahrt haben wir dann noch mit einer kleinen Schlafpause garniert und 22:30 Uhr hatte uns Leipzig wieder.

blue64
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Re: 24h-Rennen auf dem Nürburgring

Beitrag von blue64 » Do 25. Aug 2011, 10:44

und noch ein paar Impressionen zu dem schönen Bericht:

https://picasaweb.google.com/meinleipzi ... 2tDfldeDMQ


und noch eine Liste von Dingen, die ihr bei eurem Event nicht vergessen solltet:


-Parzelle möglichst nicht auf Asphalt (sonst sind zum Verankern z.b. Pavillion Gewichte notwendig)
-Parzellen so um D079 haben viel Platz nach hinten; ggf. mal bei Google Maps schauen wieviel Platz zwischen Fahrbahn und Zaun ist
-richtige Heringe (Erdnägel halten schlecht)
-Hammer
-Pavillion oder Sonnen-/Regensegel
-Schlafplätze für alle
-Kochmöglichkeit (Essen vor Ort nicht so doll); nachts eine lecker Nudelsuppe wäre toll gewesen
-2 x komplette Rennkleidung; Windweste, Armlinge, 2 Paar Handschuhe
-warme Wechselkleidung für Pausen und Nacht
-Sonnencreme oder Schirm
-wasserdichte Überschuhe
-Badelatschen
-Kabelrolle mindestens 40 m + ggf. Verteiler
-passende Werkzeuge; ggf. Ersatzlaufradsatz
-Camingstühle und Tisch
-Lampen vorn und hinten, Akkus, Ladegeräte
-nett wäre eine Helmkamera
-Wasser und sonstige Getränke für 3 Tage (vor Ort sehr teuer)
-Brot, Belag, Obst, Müsli etc. für 2 x Frühstück

Tipps:
-Transponder an oder in einer Trinkflasche als Staffelstab
-2 zusammenhängende Runden für jeden in der Nacht, verschafft Zeit zum Schlafen
-wenn letzter Starter auf letzter Runde, begeben sich die restlichen Teamfahrer zum Beginn der Zielgerade und fahren dann mit dem letzten Mann gemeinsam die letzten 200m ins Ziel
Zuletzt geändert von blue64 am Fr 26. Aug 2011, 10:29, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: 24h-Rennen auf dem Nürburgring

Beitrag von andre79le » Do 25. Aug 2011, 20:17

Klasse Bericht, tolle Fotos und meinen Glückwunsch :hut:

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Radler
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Re: 24h-Rennen auf dem Nürburgring

Beitrag von Radler » Fr 26. Aug 2011, 08:12

Sehr schöne Sache und toll beschrieben. Was es nicht alles für Radevents gibt, die irgendwie auf die Liste gehören. Ich beneide Euch ein wenig um die Konsequenz, mit der Ihr diese abarbeitet. Und da ist es eine Ehre durch konsequentes Fordern ;) ein klitzekleinwenig zum gelingen beigetragen zu haben.....

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Chelm
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Re: 24h-Rennen auf dem Nürburgring

Beitrag von Chelm » Fr 26. Aug 2011, 09:47

Sehr schöner Bericht, in diesem Zusammenhang muss ich auch noch das geschriebene Kunstwerk zur Ostseetour loben. :)
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