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von mi67 » So 1. Apr 2012, 19:17
Dritter Tag - Straßenrennen über 96 km in Dissen:
Das Wetter klarte noch am Samstag abend auf und in der Nacht beruhigte sich auch der Wind teilweise. Dafür blieb es aber kalt - so kalt, dass die Graupelkörner auch am Morgen noch in der Wiese lagen. Beim Zusammenpacken warf ich noch einen Blick in meinen Rucksack - darin waren meine am Vortag so schmerzlich vermissten Winterhandschuhe! Ich Depp!
Nachdem alles im Auto verstaut war ging es bei klargefegtem Himmel zum Startort nach Dissen. Einschreiben, etwas rechts und links vom Dörfchen herumrollern, den letzten Knick an der Ortseinfahrt noch von Ästen freiräumen, Getränk und Futter organisieren - alles lief recht unspektakulär ab. Das Rennen sollte über 4 Runden à 24 km führen, wobei zwei längere Windkantenpassagen zu bewältigen waren - und der Wind kam mit der Zeit immer frischer auf! Meine Taktik nach dem Versteckspiel der vorigen Halbetappe war diesmal wieder, relativ weit vorn zu bleiben, um Attacken der gut Platzierten mitgehen zu können. Erst ging es recht gesittet los, bis in der Mitwindpassage hinter Fehrow der Attackenreigen begann. Das Feld blieb aufmerksam, unterschied Showattacken von echten Angriffen und fing letztere wieder ein. Richtig scharf wurde das Rennen in der Hälfte der zweiten Runde geschaltet. Sowohl bei Mitwind als auch auf der Kantenfahrt verengte sich mein Weltbild mehr als ein Mal auf einen 23 mm breiten Gummistreifen. Erst in der letzten Runde liess auch die Attackenhärte nach - offensichtlich war klar, dass das Feld nicht mehr getrennt werden würde. Dafür wurde aber die Fahrweise deutlich unruhiger. Nun drängten Fahrer nach vorn, die zuvor die Luft an der Spitze des Feldes eher gemieden hatten. Geschubse, Tempowellen, Ausritte auf die Straßenbankette häuften sich in äußerst unangenehmer Dichte. Selber bekam ich dies in zwei Situationen zu spüren: rechts am Straßenrand fahrend wurde ich von links (Grossi) von der Straße gedrückt, wehrte mich, was auf Seiten des Kontrahenten wortreiche Verwunderung auslöste. Die zweite Situation war noch grotesker. Der Fahrer mit der 118 griff meinen linken Arm und zog sich an mir vorbei nach vorn. Das gab dann nicht nur mürrische Kommentare von meiner Seite, sondern noch wesentlich deutlichere Worte von mir verbal Schützenhilfe leistenden Jenatech-lern.
Die Lust sich in ein solches Renngetümmel zu investieren, war mir längst vergangen. Da auch in der Spitze alles kompakt und in Vorbereitung auf einen Massensprint organisiert erschien, schaltete ich für die letzten 7 km komplett auf Defensive. Lediglich auf der Zielgeraden trat ich nochmal an, um sich auftuende Lücken zu übersprinten und mit der Zeit der Spitze mitgewertet zu werden. Durch Sprintbonifikationen der Tagesplatzierten Kalz und Steiner rutschte ich zwar von Gesamtrang 6 wieder auf die 8 ab, das juckte mich aber nicht mehr, da mir ja klar war, dass und wie ich die Chance im Auftaktrennen erarbeiten konnte, sie im Zeitfahren halb vergeigt hatte und dann trotzdem noch mein heimliches Maximalziel der top-10 in der Gesamtwertung halten konnte.
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mi67 am Mo 2. Apr 2012, 04:02, insgesamt 1-mal geändert.
Freund der vertieften Atmung