Westslawische Hügelkette

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Falcon
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Re: Westslawische Hügelkette

Beitrag von Falcon » So 24. Feb 2013, 21:49

10. Tag Hohe Tatra
Am Morgen hügele ich mich der Hohen Tatra entgegen. Ich muss mal wieder über die Grenze, die hier keinen mehr interessiert. Die polnische Seite begrüßt den Reisenden mit einem der sehr seltenen Radwege. Da kam ein andere Tourenfahrer des Weges. Wir winken uns zu und da kommt er schon auf meine Straßenseite herübergeradelt. Es sprudelt in feinstem Englisch aus ihm heraus, dass er doch so glücklich sei, nach einer solch langen Durststrecke einen anderen Tourenfahrer wie mich zu sehen und auch ich bin angetan, einen Gleichgesinnten zu treffen und ja doch, ich habe seit Zittau eigentlich auch keinen anderen gesichtet. Schnell tauschen wir die wichtigsten Information nach dem Woher und Wann und Wohin aus und tratschten über die Vor- und Nachteile unserer jeweiligen technischen Ausrüstungen. Dieser Engländer ist schon ein paar Monate unterwegs und sah demzufolge auch schon etwas abgerissen aus. Er begann seine Tour in Norwegen, er fuhr weiter durch Schweden, Finnland, das Baltikum, war jetzt in Polen, und wollte schnell durch die Slowakei nach Tschechien. Und als ob diese Tour nicht schon anspruchsvoll genug wäre, hat er sich noch das Ziel gesetzt, in jedem Land, das er durchquert, den jeweils höchsten Berg zu besteigen. Bisher hat er das auch geschafft, aber der Rysy in der Hohen Tatra war dann doch mit zu viel Schnee beladen, so dass er kurz unterhalb des Gipfels umkehren musste. Und die schlechtesten Straßen hat er in Lettland oder Litauen erlebt. Was für eine beeindruckende TOUR!!! Er war wirklich schwer beladen mit Zelt, Kocher und Steigeisen und was weiß ich noch alles. Leider fühlte er sich irgendwie im Stress und nach 5 min wollte er unbedingt weiter und das interessante Gespräch war damit vorbei. Ich hatte jedenfalls die nächsten Kilometer ausreichend Gedankennahrung... Ich näherte mich weiter den Bergen, der Verkehr nahm zu. In Zakopane drängten sich die Touristen in der Fußgängerzone, ein wahrer Trubel. Ich entschied mich, die blöde Hauptverkehrsstraße zu meiden und mich den Bergen noch etwas zu nähern. Das sollte sich auch mehrfach bezahlt machen: Der Verkehr ließ schlagartig nach, ich gewann an Höhe, erhielt bei schönstem Wetter noch einige herrliche Ausblicke auf das kleinste Hochgebirge der Welt. Irgendwann war ich mal deutlich über 1000 Meter hoch und das muss wohl das „Dach“ der gesamten Tour gewesen sein (leider funktionierte mein Tacho gar nicht und gpsies hat offenbar keine Daten...). Ich hügelte mich wieder herunter und fuhr meinem heutigen Etappenziel entgegen: das Tal des Dunajec am Rande des Pieninen Nationalparks, dort wo Floßtouren durch das wildromantische Tal starten. Im Reiseführer wurden keine Unterkunftsmöglichkeiten in der Nähe beschrieben, hier am Ende einer Straße, die als Sackgasse endet. Das Dorf Sromowce Niże bot dann auch gar nichts. Aber zum Glück überspannte eine Fußgängerbrücke den Dunajec, der hier gleichzeitig Grenzfluss ist und so spazierte ich auf die slowakische Seite, die viel geschäftstüchtiger war und mehrere Pensionen im Angebot hatte. Ich nahm das schönste Haus mit Restaurant und die Anmerkung, dass morgen Montag und damit Ruhetag sei und ich deswegen kein Frühstück bekomme, nahm ich gelassen hin.

Die Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=nbbgqgffndunqyeo (hier fehlen gpsies irgendwie ein paar Daten...)
Dateianhänge
10 Hohe Tatra.jpg
Hohe Tatra 1
10 Trubel in Zakopane.jpg
Trubel in Zakopane
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Hohe Tatra 2
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Hohe Tatra 3
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Hohe Tatra 4
10 Sonnentuntergang.jpg
Sonnenuntergang

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Re: Westslawische Hügelkette

Beitrag von Falcon » So 24. Feb 2013, 21:57

11. Tag Pieninen
Ich schaue schlaftrunken aus dem Fenster und sehe nur dicken Nebel. Ach ja, Frühstück gibt es ja erst mal nicht. Ich mache mich auf die Suche nach etwas Essbaren. Ich schlendere durch die Nebelsuppe und versuche in der Ansammlung von Häusern irgendetwas zu beißen zu bekommen. Eine andere Pension hat zwar schon ihre Türen geöffnet, aber der Besitzer schickt mich weiter. Ein Lebensmittelladen macht erst gegen Mittag auf. Da entdecke ich eine Art Kiosk mit Notfall-Angebot. Na ja, eine Rolle Kekse muss jetzt mal reichen. Der Nebel lichtet sich zunehmend. Ich packe zusammen und verstaue alles auf dem Rad, aber irgendwie ist in der Pension gar kein Mensch da, dem ich meine Zimmer- und Haustürschlüssel übergeben kann. Alle scheinen woanders zu wohnen. Ich laufe drei Mal um das Haus, aber einen Briefkasten kann ich auch nicht finden. Letztendlich hänge ich den Schlüssel an die Klinke des Hintereingangs und hoffe, dass ihn der richtige findet.
Ich fahre wieder über die Brücke auf die polnische Seite zur Abfahrtsstelle der Flöße. Heute lasse ich mich mal herumkutschieren - na ja, wenigstens am Vormittag. Der Nebel hat sich aufgelöst, die Sonne strahlt. Die Flößer, alle im traditionellen lokalen Kleid der Goralen gewandet, warten aber noch auf Gäste; ich bin der erste. Nach 'ner halben Stunde kommt dann eine Busladung voller Touristen und es kann losgehen. Auf sechs zusammengebundenen, an Einbäume erinnernde, schmale, lange Teilen lasse ich mich durch das wildromatische Tal des Duanjec schippern. Der Flößer gibt sich reichlich Mühe, den Gästen viel mitzuteilen und ein einziger Redeschwall ergießt sich über uns. Ich verstehe gar nix und genieße den Pieninen-Nationalpark von seiner schönsten Seite. Der Fluss, der hier die Grenze bildet, windet sich durch ein enges Tal an steilen Felshängen vorbei. Einfach herrlich, nur die spartanische Sitzgelegenheit macht mir etwas zu schaffen. Nach ca. 10 km steige ich in Szczawnica aus und lasse mich mit einem Kleinbus an den Startpunkt zurück chauffieren. Der Fahrer holt alles aus dem Fahrzeug raus und ich bin sehr froh, wieder heil aussteigen zu können.
Ich steige wieder auf meine gewohnte, langsamere Fortbewegung um und weiter geht es gen Osten, mittlerweile früher Nachmittag. Auf einem langen, sanften Anstieg auf verkehrsarmer Straße verlasse ich das Tal des Dunajec; nur der beständige Gegenwind stört mich. In der nächsten Stadt Stara Lubovňa mache ich eine Rastpause. Allzu viel möchte ich heute eigentlich nicht mehr fahren, nur noch ein paar Hügel. Es dämmert langsam. Plaveč, Lubotin, Leluchov – keine Übernachtungsmöglichkeit. Es wird duster. Ich entscheide mich, gen Muszyna weiter zufahren. Gemäß Karte sollte es eigentlich immer locker im Tal entlang gehen, aber irgendjemand hat da einen deftigen Anstieg eingebaut. Ein Werbeschild lockt schon weit vor dem Ortseingang verheißungsvoll für ein Vier Sterne-Wellness-Hotel. Na gut, besser als jetzt im Dunkeln noch weiter ins Ungewisse zu fahren. Ich fahre vor, kann aber zum Glück noch auf ein preiswerteres Hotel nebenan zurückgreifen. Dieses blöde Hotel bietet zwar eine Dusche mit allerlei technischem Schnickschnack und Kabelfernsehen mit pervers vielen Programmen, aber ein Abendessen bekomme ich hier nicht mehr. Das Restaurant hat wohl aus Mangel an Gästen gerade zugemacht, die Bar ist leer und der Barkeeper langweilt sich. Na ja, da muss mein Vorrat an Riegeln herhalten.

Die Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=eccjqqzyccsiaafc
Dateianhänge
11 Pinnienen Gebirge am Dunajec.jpg
Pieninen Gebirge am Dunajec
11 Gorale auf Floß.jpg
Gorale auf dem Floß
11 auf dem Dunajec.jpg
auf dem Dunajec
11 Piennienen Nationalpark.jpg
einsam im Pieninen Gebirge
11 Sonnenuntergang.jpg
Sonnenuntergang

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Re: Westslawische Hügelkette

Beitrag von Falcon » So 24. Feb 2013, 22:06

12. Tag Erst etwas Kunst, später Wildnis
Am Morgen hängen die Wolken hängen tief und es nieselt und so ist meine Motivation für eine längere Strecke erst mal im Keller. Ich suche nach Alternativen und finde im Reiseführer für den Nachbarort Krynica-Zdroj die Beschreibung einer Ausstellung des lokalen, aber wohl international bedeutenden Malers Nikifor. Ich fahr hin und lasse in der kleinen Galerie die Gedanken baumeln. Wieder am Tageslicht ist die Wolkendecke aufgerissen und die auf radlerische Taten ist wieder da. Es geht zunächst wieder ordentlich bergauf, oben angekommen wieder mal über die Grenze und bergab in die Slowakei. In der Stadt Bardejov gönne ich mir eine Pause, setze mich in ein Straßencafé auf dem Marktplatz, der wie aus einem Bilderbuch wirkt, ganz toll renovierte Gebäude, und verdrücke ein großes Stück Torte. Das musste mal sein!
Ich fahr auf einer Hauptstraße weiter, aber der Verkehr hält sich durchaus in Grenzen. Die eine oder andere Siedlung von Sinti und Roma, die ich am Straßenrand sehe, erinnert mich an Wohnverhältnisse in Indien. Hinter Zborrov geht die Straße in großen Wellen ständig auf und ab, gutes Training! In Nižna Polianka wähle ich den Weg auf kleineren Nebenstraßen wieder über die Berge gen Norden. Ich weiß langsam nicht mehr, welche Beskiden ich gerade unter den Rändern habe, es wird auf jeden Fall einsamer. Am Straßenrand weisen großformatige Schilder auf die lokale Bevölkerung hin, die überwiegend aus Wölfen und Bären bestehen muss. Das erste Dorf auf polnischer Seite heißt „Grab“ und die Menschen gehen gerade zum Holzkirchlein – zu einer Beerdigung. Es dämmert schon wieder. Ich habe lange kein Auto mehr gesehen. Im Unterholz steht ein Rudel Rehe und glotzt mich aus großen Augen an.
In Krempna hoffe ich auf eine Unterkunft, aber es wird nichts angeboten. Also schiebe ich noch mal ordentlich Riegel und Kofola (Kofola – lokaler Nachbau einer berühmten Cola-Marke, der in tschechoslowakischer Zeit erfunden wurde und heute wieder einigen Marktanteil erobert hat. Weniger Kohlensäure, weniger Zucker, keine Phosphorsäure und deswegen insgesamt zahnfreundlicher, etwas säuerlich-herber im Geschmack http://www.kofola.cz/index/kofola-historie) in mich rein und mache mich an den hoffentlich letzten Anstieg des Tages. Ich muss schon die Beleuchtung einschalten, so dunkel ist es und hoffe, dass mich die wilde, lokale Tierwelt in Ruhe ziehen lässt.
Ohne Zwischenfall aber ordentlich abgekämpft erreiche ich Novy Żmigrod und schon am Ortseingang steht ein belebtes, rustikales Gasthaus, das mir wie die herrlichste Herberge vorkommt. Bei der abendlichen Toilette sehe ich am Hinterteil eine wunde Stelle, die mich heute schon etwas genervt hat. Aber ist erst mal egal, ich schiebe ein deftiges Abendmahl in mich hinein, kippe ein köstliches Bier dazu hinter und gute Nacht!

Die Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=fimtuqzwneleobpx
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12 Marktplatz Bardejov.jpg
Marktpatz von Bardejov
12 hoch und runter.jpg
hoch und runter
12 Achtung Anwohner.jpg
Achtung Einwohner
12 Abenddämmerung.jpg
Abenddämmerung

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Re: Westslawische Hügelkette

Beitrag von Falcon » So 24. Feb 2013, 22:16

13. Tag Die längste Etappe
Oh je, ich weiß wirklich nicht, wie ich den Tag heute überleben soll. Ich hatte geplant, den Rest der Tour in einem Ritt herunterzureißen, d.h. ca. 150 km und damit die längste Tagesetappe. Eine relativ flache Topographie sollte es möglich machen. Doch auf den ersten 20 km kämpfe ich gleichzeitig gegen drei Feinde, einer schlimmer als der andere: Hügel, Gegenwind und vor allem Schmerzen am Hinterteil. Die Schmerzen an einer wunden, aufgescheuerten Stelle lassen mich alle 100 m eine etwas andere Sitzposition suchen, die mir für ein paar Sekunden Erleichterung verschafft. So dümpele ich mehr schlecht als recht vor mich hin und das Tagesziel ist in weite Ferne gerückt. Im Kopf versuche ich psychische Aufbauarbeit zu leisten: Die Berge werde ich bald verlassen, meine Fahrtrichtung wird sich ändern und damit zwangsläufig auch die Windrichtung und je länger ich auf der wunden Stelle sitze, desto weniger wird der Schmerz bis in meinen Kopf vordringen. Und die Sonne scheint wieder! So komme ich schon mal bis nach Daliowa, wo ich gen Norden drehe und dem Gegenwind nicht mehr so ausgeliefert bin. Als nächstes bezwinge ich den höchsten Punkt des Tages. Das ist der Anfang der Waldkarpaten und für mich der Abschied von der westslawischen Hügelkette. Von Wald ist hier aber kaum noch etwas übrig. Weiter gen Osten soll es dann einsam werden; aber das vielleicht eine Idee für die nächste Tour.
Die nächsten Kilometer gehen dann schon fast wie von allein: es geht meist bergab oder flach durch dichter besiedeltes und von Landwirtschaft geprägtes Gebiet und meist unterstützt mich sogar ein sanfter Rückendwind. Meine Hoffnung auf das Tagesziel kommt wieder und ich finde zu alter Stärke. Ich erreiche das Tal des San, dem ich im Prinzip für heute nur noch folgen brauche. Der Straßenbelag ist allerdings wieder mal so schlecht, dass ich stundenlang durchgeschüttelt werde und bei weitem nicht so schnell vorankomme, wie ich eigentlich könnte.
In Dynow wechsle ich die Fahrtrichtung gen Osten. Der jetzt anliegende Seitenwind kann mich aber auch nicht mehr aufhalten. Ich bin gut im Tritt, das Wetter ist herrlich und die Straße wieder von bester Qualität. Die Schmerzen sind nur noch entfernt zu spüren (aber morgen möchte ich nicht auf's Rad steigen!!!). Ich fliege praktisch meinem Tagesziel Przemysl entgegen, doch da gibt es noch zwei Anstiege, die mich ans Mulden- oder Zschopautal erinnern. Aus dem Nichts verlässt die Straße das Tal des San und schickt mich steil empor auf die umliegenden Hügel. Aber dank Kofola und Riegel packe ich das auch noch und pünktlich zum Einbruch der Dämmerung stehe ich erschöpft und glücklich am Ortseingangsschild von Przemysl.
Nachdem ich im Dunkeln in der lebhaften Stadt herumstochere, die einem Verkehrsinfarkt nahe scheint, finde ich ein Zimmer in einem seelenlosen Hotel-Betonbau und bette mich zur Ruhe.

Die Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=bvebwkjcgbyobwcp
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13 kyrillisch.jpg
kyrillische Vorboten
13 Abschied von den Bergen.jpg
Abschied von den Bergen 1
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Abschied von den Bergen 2
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der Protagonist
13 Tal des San.jpg
Tal des San
13 Ziel erreicht.jpg
Ziel erreicht

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Re: Westslawische Hügelkette

Beitrag von Falcon » So 24. Feb 2013, 22:18

14. Tag Przemysl
Eigentlich hatte ich vor, an dem Grenzstein Polen-Ukraine anzuschlagen, der keine 10 km entfernt ist, und damit die Tour ordnungsgemäß zu beenden, aber ich finde in Anbetracht meines wunden Hinterteils, dass das nicht mehr so unbedingt notwendig ist...
So schlendere ich bei schönstem Wetter durch die Altstadt, schaue in einige der zahlreichen Kirchen und kyrillische Schriftzeichen bedeuten, dass hier schon unterschiedliche Kulturen ihre Spuren hinterlassen haben. Einige Kirchen wurden wohl im Laufe der Geschichte religiös umgewidmet und entfachen auch heutzutage noch Streit. Auf dem Glockenturm schaue ich weit gen Osten, da wo für mich terra inkognita beginnt...
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14 Przemysl.jpg
Przemysl

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Re: Westslawische Hügelkette

Beitrag von Falcon » So 24. Feb 2013, 22:20

15. Tag Rückfahrt
Im Halbschlaf nehme ich von weiter Ferne ein Geräusch wahr. Es wiederholt sich und lässt sich nicht in meine Traumwelt integrieren. Immer noch halb im Koma kann ich dass das Geräusch halbwegs orten: es muss irgendwie draußen vom Fenster kommen, dass halb geöffnet ist. Na ja, muss wohl ein blöder Vogel sein, der die Scheibe nicht erkennt und dagegen fliegt. Und schon ist es wieder still. Ich äuge argwöhnisch zum Fenster und sehe schlaftrunken, wie sich die Gardine bewegt. Verdammt, jetzt ist wohl das arme Vieh auch noch irgendwie reingekommen. Ich schalte das Licht an und sehe, wie etwas komplett schwarzes umständlich hinter der Gardine hervor krabbelt. Mist, das ist kein Vogel, das ist eine Fledermaus! Und das so früh am Morgen, die Uhr zeigt was von halb fünf. Ok, ich wollte sowieso bald aufstehen. Klare Gedanken fassen ist um diese Uhrzeit aber nicht meine Stärke. Ich habe keine Ahnung, wie ich das arme Vieh aus dem Zimmer bekomme, zupfe an der Gardine, aber die Fledermaus klettert unbeeindruckt die Gardine hoch und hängt sich oben an der Gardinenstange zur Ruhe. Ich kann mir vorstellen, dass sich das Tierchen einen Schlafplatz gesucht hat und mein Zimmer als geeignete Höhle erkannt hat. Na ja, ich habe nicht viel Zeit, packe meine Klamotten zusammen und gebe an der Rezeption meine Beobachtung bekannt („There's a bat in my room“ - „A bed, ok...???“ - „I mean this little black animal which can fly – Batman, you know?“) und lasse einen Mitarbeiter mit fragendem Gesicht zurück.
Als ich mein Rad aus dem Abstellraum des Hotels hole, merke ich, dass irgendwas am Hinterrad schleift. Das ist die Bremse und ich habe eine mächtige acht im Hinterrad. Woher kommt die denn auf einmal??? Ich kann mich nicht erinnern, das Rad so abgestellt zu haben. Keine Zeit, ich muss zum Bahnhof. Verdammt, warum muss es gerade jetzt auch noch regnen?!?! Ich eiere durch den Regen zum Bahnhof und es ist zu dieser frühen Stunde wenigstens kein Verkehr.
Die Verladung in den Zug funktioniert gut. Es gibt ein Radabteil mit Aufhängung am Vorderrad und im Nachbarabteil kann ich bequem sitzen und durch eine Glasscheibe hindurch ständig mein Rad sehen – eine sehr gute Erfindung!
Kurz nach sechs setzt sich der Zug ächzend und schunkelnd in Bewegung. Es ist eine gemächliche und lange Reise: Rzeszow... Tarnow... Krakau, Katowice, Gleiwitz.... und Breslau erreiche ich nach ca. 10 Stunden, aber super pünktlich! Ich bin froh, mich etwas bewegen zu können und laufe schnell bis zum Marktplatz und wieder zurück zum Bahnhof – was für ein Schmuckstück – und nehme die Direktverbindung nach Dresden. Noch ein Mal umsteigen und ich bin kurz vor Mitternacht wieder in LE.
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15 Breslau Hauptbahnhof.jpg
Breslau Hauptbahnhof

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Re: Westslawische Hügelkette

Beitrag von Falcon » So 24. Feb 2013, 22:22

Epilog
Schöne Strecken, viele Hügel und Berge, überwiegend schönes Wetter, nur die Qualität der Straßen lässt zu oft zu Wünschen übrig...
Und ich bin ein paar Tage nicht mehr auf's Rad gestiegen und habe meinen Hintern geschont...
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16 Symbiose.jpg
Zuletzt geändert von Falcon am So 24. Feb 2013, 22:26, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Westslawische Hügelkette

Beitrag von vantage84 » So 24. Feb 2013, 22:26

Ein beeindruckender Bericht. Da sieht man erstmal, wieviel es in Europa noch zu entdecken gibt. :)
Bild
If it's not on Strava, it didn't happen.

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Re: Westslawische Hügelkette

Beitrag von SXHC » So 24. Feb 2013, 22:28

:anbetung: :ohnmacht: :anbetung: :ohnmacht:

Tolle Tour, tolle Bilder, toller Bericht!

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Re: Westslawische Hügelkette

Beitrag von Floeri » So 24. Feb 2013, 22:42

Hammerritt und toller Bericht. Neid inklusive !!!!!

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