Rhönabenteuer

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Charlie
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Re: Rhönabenteuer

Beitrag von Charlie » Mo 24. Mai 2010, 13:05

nimm das MTB ;)

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peso
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Re: Rhönabenteuer

Beitrag von peso » Do 27. Mai 2010, 13:09

Montag

Dem sonst ständig bimmelnden Nervenbündel den Mund verboten, ein großväterlicher Guckkasten auf dem Zimmer und die sauerstoffreiche Luft frei von den auf Tastendruck umherschwirrenden Kilobytes - überaus altmodisch fuhren, faulenzten und fraßen wir uns durch die drei Tage in der Rhön. Als wir Herrn Schmidt zumindest nach der Wetterprognose für den Montag fragten, schaute der kurz prüfend in den unverschämt blauen Himmel und meinte nur: "Sieht trocken aus."

Also verließen wir uns auf die bestechend einfache Vorhersage und kramten die längste geplante Strecke aus den Speichern der Garmins. "Fünf auf einen Streich" versprach ich Boris und hoffte, selbst noch ein kerbenfreies Plätzchen auf dem Oberrohr zu finden. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges hatte man mit dem Bau der "Hochrhönstraße" durch die ehemals keltischen Siedlungsgebiete der "Langen Rhön" begonnen. Die Kleine Eiszeit im 15. und 16. Jahrhundert ließ nur wenige Dörfer auf dem exponierten Rhönrücken zurück - Frankenheim mit einer Höhe von 750 m ist noch heute das höchstgelegene Dorf der Rhön.

Doch vor den Kletterspaß hatten die Straßenplaner den nervigen Verkehr in Form der B285 gesetzt. Wir hatten erneut die Muße, uns alle Kaltenheime zu begucken und schon einmal die Apotheke für die abendliche Nachsorge auszumachen. Hinter Reichenhausen steigt das notwendige Transferübel bis auf 600 m und entließ uns nach 23 Kilometern endlich nach Hausen, wo wir einen uns noch unbekannten Aufstieg zur Hochrhönstraße testen wollten. Statt der "Hauensteinstraße" zu folgen, achteten wir auf die Ausschilderung des Zeltplatzes am "Hillenberg" und fanden uns so schnell auf einem Sträßchen, das herzallerliebst im Wald verschwand. Mit maximal 10% und träumerisch verlassener Landschaft belohnte uns der bestens asphaltierte Anstieg, der 400 hm später auf die Hochrhönstraße mündet und den Blick zur Rother Kuppe freigibt. In der phantastischen Abfahrt wägen wir den zu erwartenden Zeitverlust mit der Tatsache, ja eigentlich im Urlaub zu sein, gegeneinander ab und entschließen uns dann doch, den Bergsporn zu erklettern. Es waren nicht ganz die befürchteten 45%, aber mit den ausgereizten Möglichkeiten unserer Schaltwerke kamen wir keuchend und nach dem Urheber dieser blödsinnigen Idee suchend oben an. Leider wurde unser Eifer nicht von der erwarteten spektakulären Rundumsicht belohnt - für die Betreiber des Aussichtsturm waren wir wohl etwas zu zeitig dran.

Die nächsten beiden Aufstiege hatten bejar und Barus bereits salitisiert und uns fordernde Gradienten in Aussicht gestellt. Dazu blies der frische Nordwestwind in die nur im Mittelabschnitt geschützten Auffahrten, daß man oben nicht einmal dicke Schweißperlen als Ausweis der eigenen Anstrenung vorweisen konnte. Von Urspringen steigt die Straße zunächst fünf Kilometer recht steil an der "Thüringer Hütte" vorbei, um dann auf 750 m Höhe fast flach die karge Vegetation des Moors zu passieren, ehe ein Hügelchen den Anschluß zur Hochrhönstraße herstellt. Noch deutlich anspruchsvoller erschien mir der rampige Aufstieg am Hohen Deutschenberg, der mit Spitzen von > 15% die Milchsäure weckte und zudem garstig den Wind in unsere Fahrtrichtung lenkte. Immerhin näherten wir uns mit jeder Bezwingung der Langen Rhön dem unverwechselbaren Profil des "Kreuzberges", dem Heiligen Berg der Franken, dessen Sendeanlage nun die des Fernsehsenders Heidelstein als bevorzugtes Motiv unserer Knipsen ablöste.

In der Abfahrt nach Bischhofsheim drängelte sich ein rumpelnder LKW vor mein Rad und verübelte mir leider etwas die Schußfahrt. Wir befüllten unsere Trinkflaschen, klagten über die schlechte Form, beäugten mißtrauisch das grauschwarze Wolkengetümmel über dem Berg und grüßten einen Mountainbiker, der sich ebenfalls zur Wallfahrt entschlossen hatte und sich sicher fünf Minuten vor uns in die Steigung verabschiedete. Eine Dreiviertelstunde später sitze ich auf dem trostlosen Vorhof zum Kloster und kaue mißmutig auf der mitgeführten Nutellaschnitte, weil der weltberühmte Zwiebelkuchenbäcker, der eigentliche Antrieb unseres Eifers, sich offensichtlich noch im verlängerten Wochenende befand. Da bog der Breitreifen um die Ecke und erblickte die weiß besockten Rennradler gemütlich quatschend auf der Holzbank, hielt kurze Zwiesprache mit seinen fiebrigen Nerven und entschloß sich dann, uns als Hirngespinst zu ignorieren. Tja, echte Teufelskerle, die Jungs von der Rennradliste...hatten sie doch nicht die Serpentinenauffahrt zum Kloster gewählt, sondern den unteren Abschnitt ab Haselbach entscheidend - also fürchterlich steil - verkürzt und sich so unbemerkt vor den armen Mountainbiker geschoben.

Boris befragt mal wieder die grünen Zacken des Garminprofils und erkennt endlich die höchste Spitze des Tages schon fast vor uns. Zunächst quälen wir uns durch den wirklich üblen Verkehr in Richtung "Schwedenschanze", an die ich nur die allerschlechtesten kulinarischen Erinnerungen habe, als ich hier früher oft auf dem Weg nach Marburg gehalten hatte. Immerhin ab Oberweißenbrunn begleitet endlich ein vernünftiger Radweg die Bundesstraße nach Gersfeld. Ein Radladen verkauft Boris zu Apothekenpreisen vermeintliche Look-Keo-Pedalplatten, die sich später natürlich als unpassend zu allen uns bekannten System herausstellten. Aber endlich, die Wasserkuppe!. Der höchste Berg der Rhön, die Wiege des Segelflugsports und regenreiches Quellgebiet von dreißig Gewässern. Und ein trostlos-langweiliger Anstieg. Mit etwas Form käme man sicher auch mit der Scheibe zumindest bis zur Fuldaquelle. Dann wird es etwas steiler und dröhnen bereits die Motoren der Flugzeuge über die windige Kuppe des Berges. Leider verpasse ich es, die gerühmten Bratwürste vom Rhönschaf zu probieren und eile mit Boris bei einsetzendem Regen in die schnelle, aber jetzt schon gefährlich nasse Abfahrt. Mit den bekannten Stecknadeln piesackt uns die Wetterunbill im Gesicht, als wir stetig an Höhe verlierend uns vorsichtig ins Tal der Ulster bremsen. Einen uns mit überschießender Fahrt überholenden Rennradler ignorieren wir großzügig und kämpfen uns im Gegenwind nach Thann, wo - jetzt auch endlich - die letzten Höhenmeter des Tages warten. Nach 135 schweren Kilometern zügelt selbst der mäßig steile Anstieg das gewohnte Tempo, und so schieben wir uns mit schweren Beinen hinauf zum Knottenhof.

Nur wenig später läßt Pasta in ungeahnten Mengen ihr Leben im brodelnden Kochtopf und fließen literweise Saft und Wasser in unsere durstigen Kehlen.

145 km / 3150 hm

Strecke bei Google Maps
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Re: Rhönabenteuer

Beitrag von Floeri » Do 27. Mai 2010, 13:46

:liebe: Herrlich, ich keuche gerade, als ob ich mitgefahren wäre bei dem Mountainbiker :D

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Re: Rhönabenteuer

Beitrag von OneZero » Do 27. Mai 2010, 13:50

Floeri hat geschrieben::liebe: Herrlich, ich keuche gerade, als ob ich mitgefahren wäre bei dem Mountainbiker :D
Wir fahren doch aber erst nachher?! :pfeif: Was machst Du denn noch so alles im Büro... (ausser einen Rekord im Marathonschreiben aufzustellen). :D :D
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Re: Rhönabenteuer

Beitrag von Floeri » Do 27. Mai 2010, 13:58

Du meinst die Zeit um 00.19 vorgestern? :D
Da habe ich mir vom harten Arbeiten mal ne Pause gegönnt. Das darf ich schon noch, oder ;) ?

ende ot

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