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Nove Colli – die kleine Runde

Verfasst: So 28. Apr 2013, 22:32
von Falcon
Der letzte Tag im Trainingslager ist traditionell der kleinen Runde des berühmten Nove Colli (http://www.novecolli.it/percorso.php?Lang=de) zugedacht, nachdem man sich die vorhergehenden Tage an den Anstiegen der Umgebung wie nach San Leo, San Marino, Perticara oder wie sie alle heißen, fleißig abgemüht hat. Aber irgendwie habe ich es noch nie geschafft, das Ding überhaupt oder zu Ende zu fahren - war immer mal was anderes dazwischen. Dieses Jahr muss es endlich passieren!
Eine große Truppe von knapp 20 Leuten macht sich morgens bei angenehmen Temperaturen, Wind und Sonnenschein von der Küste auf den Weg. Im Landesinnern über den Bergen drohen dicke Wolken, aber wir vertrauen heute mal alle dem Wetterbericht, der keinen Regen vorhergesagt hat. Zuerst ist im Flachen einrollen angesagt, was bei dem Rückenwind eine angenehme Sache ist (und ich bin ganz vorn ;) ). Die Anfahrt zum ersten Hügel muss etwas anders als auf der offiziellen Strecke erfolgen, da wir nicht auf der Hauptverkehrsstraße fahren können. Bei Matellica (das Ortseingangsschild wurde wiederholt in den Namen einer bekannten amerikanischen Band umgewandelt) bremste kurzzeitig ein Trecker die Fahrt der Gruppe ein, dann ging es in der Windkante weiter, alles gemäßigt. Der erste Hügel kam in Sicht und unruhig scharrte die Meute an einer der wenigen ampelgeregelten Kreuzungen der Region mit den Schuhplatten auf dem Asphalt.

1. Hügel: Bertinoro / Polenta
Der erste Hügel ist zum Einfahren gedacht: ein paar Stücke im zweistelligen Prozentbereich und schon spreizte sich das Peloton weit auf. Im kleinen aber feinen Ort Bertinoro mit herrlicher Sicht zur Küste der Adria schnauften die ersten, wenig bergfesten Fahrer (oder die am Vortag schon zu viel gemacht haben) schon gewaltig und verabschiedeten sich aus der Runde. Ein paar Rampen mit bis 14% führten auf kleiner, gewundener Straße weiter in das Dorf Polenta und der erste Hügel ward schon geschafft. Die Abfahrt nach Meldola nahm ich wie gewohnt vorsichtig und damit als Letzter... Nun folgte ein etwas längeres welliges Stückchen in einem ruhigen Tal und die Gruppe arbeitete zusammen an einem zügigen Tempo, das meinen Puls teilweise in ungewollte Höhen trieb. In Piandispino endete jäh die flotte Fahrt und Serpentinen starten den

2. Hügel nach Pieve di Rivoschio
Kein Baum, kaum ein Strauch bot Windschatten in diesem doch so windanfälligen Anstieg. Über den Himmel zogen weiterhin meist dicke Wolken. Unten sind ein paar Serpentinen zu bewältigen - nichts sehr schlimmes. Irgendwann ist die Straße ziemlich aufgefetzt und geht teilweise über Dreck weiter. Die Gruppe reißt wieder auf und jeder hat mit sich zu tun, außer einem Österreicher, der an uns schwatzend vorbeizieht (haben die nicht genügend Berge zu Hause?). Ich fahre pulskontrolliert weiter. Weiter oben wird es flacher und auf dem ersten „Gipfel“ sammelt sich die zerfahrene Gruppe wieder. So, nun geht es zwar erst mal kurz bergab, aber der zweite „Gipfel“ lauert und fährt nach der kurzen Erholungsphase schon ordentlich in die Beine. Die Abfahrt ist nicht ganz so ungefährlich, teilweise huckeliger Asphalt und ein 18%iges Teilstück fordern Aufmerksamkeit. Unterwegs halten wir an einer öffentlichen Wasserstelle und tanken schon mal die Wasserflaschen wieder auf. Erste Rufe nach einer Kaffeepause werden geäußert, die vom Tourenführer aber barsch abgewiesen werden ;-). Ein Stück weiter unten gibt es einen Platten, der glimpflich ohne Sturz abläuft und schnell wieder behoben wird. Nach der Abfahrt kommt ein kurzes Zwischenstück und in Linaro können doch alle Fahrer dem Duft einer Bar am Straßenrand widerstehen. Hier erfolgt auch schon der Einstieg in den

3. Hügel – Ciola
Unten mit max. 11% und Serpentinen ausgerüstet geht es zunächst durch Wald. Die Fahrer der Gruppen werden nun schon deutlich selektiert. Ich fahre wieder in kontrolliertem Tempo, wohl wissend, das ein dickes Ende noch kommt. Im weiteren Verlauf lichtet sich die Vegetation, es zieht wieder und es wird aber auch deutlich flacher. Leider zieht sich der Hügel hin und wer den Ciola nicht kennt, meint nun nach der nächsten Kurve schon oben zu sein, doch es geht immer wieder weiter – das Ding sollte man nicht unterschätzen. Aus einer Vierergruppe fahre ich auf dem letzten Stück vor, das sich zu einen „Bergsprint“ entwickelt, bis die Beine schmerzen. Oben sammelt sich die Gruppe, die es in der langen, herrlich gewundenen Abfahrt (dazwischen nur ein kleiner, heftiger Gegenanstieg) wieder auseinanderdröselt. Unten in dem Ort Mercato Saraceno angekommen, gibt es für etwa die Hälfte der Fahrer nun kein Halten mehr: Alle möglichen Gründe werden vorgeschoben (das „Regenrisiko“ vermeiden etc.) um hier zu pausieren und wahlweise Pasta (endlich mal „etwas anderes“ als im Hotel essen) oder Cappuccino einzuwerfen. Aber es ist eigentlich nur die Angst oder der Respekt vor dem

4. Hügel – Barbotto
Unser Tourenführer hat keine Gnade und treibt uns weiter. Richtig so! Sieben tapfere Fahrer schieben sich, obschon vom bisherigen Verlauf der Tour mehr oder weniger stark gezeichnet, unausweichlich dem Höhepunkt entgegen. Es gibt kein flaches Überführungsstück. Schon innerhalb des Ortes Mercato S. geht der Anstieg los. Erst in mäßigen Rampen. Kaum aus dem Ort, kommt endlich die Sonne hinter den Wolken hervor, nur der Wind kommt manchmal frontal auf uns zu. Es geht weiter munter in heftigen Rampen weiter. In den kurzen Zwischenstücken habe ich kaum Zeit, meinen Puls wieder einzufangen. Die Rampen verdichten sich weiter und es kommen kurze, giftige Serpentinen dazu. Weitere Radfahrer quälen sich empor – wir arbeiten nicht alleine an dieser Radsport-Legende! Ich will eigentlich noch ein größeres Ritzel auflegen, aber da ist schon lange nichts mehr. Der Puls hämmert schon eine Weile in meinem Kopf, als das gefürchtete Ende vor mir auftaucht. Der letzte Kilometer mit seinen unbarmherzigen 15% ohne große Kurve. Jetzt hilft nur noch der Wille und ich schaffe es irgendwie, ohne Schlangenlinien hoch zu kommen. Der Barbotto - ein absolutes Miststück von Hügel und im Frühjahr für mich das Maximum des Machbaren :schwitz: . Ich komme auf Platz drei der Gruppe an und ich habe noch etwas Zeit, die Kamera zu zücken und genüsslich die Qual meiner restlichen Mitfahrer im Bild festzuhalten. Die ersehnte Belohnung des Tages ist für uns alle die Einkehr in der Bar auf dem „Gipfel“ im strahlenden Sonnenschein. Diese Bar lebt praktisch nur von den zahlreichen Radlern, die hier vorbeikommen. Ich haue mir gleich zwei Cappuccini und viel Zuckerwerk hinter die Binde, denn der Weg zurück ins Hotel geht, obwohl der letzte Hügel schon geschafft, nicht nur bergab. Der weitere Weg führt oben auf einem Kamm entlang, der mit vielen Gegenanstiegen gespickt ist. In den kurzen Abfahrten falle ich jedes Mal nach hinten ab, um dann am Gegenanstieg wieder heftig reinzutreten um aufzuschließen zu können. Jedes Mal ein feiner Schmerz für sich! In Borghi trenne ich mich von meinen Mitfahrern (die eine weitere Kneipe aufsuchen) und trete die letzten Kilometer alleine, denn ich habe noch einen Termin zu erledigen:

Die Massage
Nach einer belebenden Dusche und dem Hotelessen erwartet Andrea mich schon im Zimmer und quatscht munter drauflos, wo denn meine Problemzonen wären, welche berufliche Tätigkeit ich ausübe usw. Als ich liege, kommen zuerst der Rücken, Hals und Nacken dran. Für mich etwas unglaublich, ertastet er irgendwelche Verspannungen, die nicht mal ich selber genau lokalisieren kann und schwupps, löst er diese. Toll! Dann wendet er sich meinen Waden zu, die er gar nicht so gut findet. Er drückt seinen Daumen mit großer Kraft hinein. Ich fange vor Schmerz halblaut an zu wimmern und zu stöhnen, worauf er aber immer nur „Why?? – Relax, relax!!!“ erwidert – kleiner Spaßvogel! Die Schmerzen sind stärker als jemals beim Zahnarzt! Ich habe keine Ahnung, ob das so sein muss. Ich verlasse den freundlichen Folterknecht mit herrlich entspanntem Rücken / Schultern und Schmerz in den Beinen, der erst am übernächsten Tag wie weggeblasen ist.

Die Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=lru ... =trackList