Istrien und Dalmatien

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Falcon
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Istrien und Dalmatien

Beitrag von Falcon » Sa 11. Feb 2012, 10:02

Ein Bericht aus wärmeren Tagen (September 2011)

Prolog

Die Folgen des Unfalls beim Erdgas Race Day sitzen mir in den Knochen. Die Schürfwunden und die Platzwunde verheilen zwar ganz gut, aber die Schmerzen in Schulter, Nacken und Oberarm werden nach dem Unfall stärker und stärker, erreichen erst drei Tage danach ihren Höhepunkt. Selbst im Ruhezustand habe ich Schmerzen. Nachts nehme ich sogar eine Tablette. Ob das nur gezerrte Muskeln sind oder ist da doch mehr passiert ist? Ich beschließe, nicht schon wieder zum Arzt zu gehen, auf die Selbstheilungskräfte zu bauen und tatsächlich gehen die Schmerzen auch so zurück und die Beweglichkeit stellt sich wieder ein. Also schnell noch einen passenden neuen Helm gekauft und eine Woche nach dem Unfall ziehe ich los.

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Re: Istrien und Dalmatien

Beitrag von Falcon » Sa 11. Feb 2012, 10:06

1. Tag Versuch einer Anreise

Pünktlich stehe ich am Bahnsteig, Leipzig Hbf. Es ist Sonntag gegen Mittag, schönes Sommerwetter und deswegen ist der Bahnsteig voll mit anderen reiselustigen Radlern. Als der Regionalexpress nach Hof mit gerade mal zwei Waggons einrollt, ist schnell klar, das hier nicht alle Radler reinpassen. Hektik macht sich beim Einsteigen breit. Ich bin nicht an vorderster Front gelandet und da kommt auch schon der Schaffner und verbietet jede weitere Zuladung von Fahrrädern. Es murrt und grummelt unter den zahlreichen Reisewilligen, aber da hilft nichts. Der Zug ist hoffnungslos überfüllt, auch mit „normalen“ Fahrgästen – und wie heißt es so schön bei den nicht-reservierungspflichtigen Zügen: „Fahrradmitnahme begrenzt möglich“. Mit so ziemlich vielem habe ich gerechnet, vorher die Umsteigezeiten optimiert, und einige Erfahrung mit der DB gemacht, aber damit nicht. Ich lasse den Beamten am Servicepoint nach einem Plan B suchen und warte fieberhaft auf das Ergebnis. Es gilt den Nachtzug von München nach Venedig zu bekommen, das ist eine beliebte Verbindung und ist damit der Flaschenhals der ganzen Reise (dachte ich jedenfalls bisher). Plan B führt mich mit dem RE erst mal nach Chemnitz, wo sich aber das gleiche Schauspiel wie in LE wiederholt: der Sachsen-Franken-Express ist einfach zugestopft wie eine Straßenbahn im Berufsverkehr. Ziemlich ratlos bleibe ich auf dem Bahnsteig stehen. Der Nachtzug nach Venedig ist damit weg. Meine letzte Hoffnung, bevor ich zwangsweise eine Radtour durch weniger entfernte Gefilde antreten muss, ist, meine Reservierung für den bewussten Nachtzug für den nächsten Tag umzutauschen. Und das gelingt mir überraschenderweise sogar. Ich ergattere Schlafplatz und einen Stellplatz für das Rad. Und noch besser: ich muss gerade mal die Reservierung neu bezahlen, denn ich habe vor Wochen zufällig eine Fahrkarte zum vollen Fahrpreis kaufen müssen, die damit für weitere Wochen gültig ist. Nun, damit ist wenigstens die Weiterfahrt gerettet, wenn auch um einen ganzen Tag verspätet. Ich versuche mich nicht weiter zu ärgern, ich habe Urlaub! Ich nehme den nächsten Frankenexpress und fahre gen Bayern. Die Leiden sind aber noch nicht ganz vorbei. Irgendwann steigt ein weiterer Radfahrer ein und knallt seine Packtaschen blind mit voller Wucht in die Gepäckablage, in der auch mein Helm liegt. Ich ahne Böses, aber der Helm hat zum Glück nichts abbekommen. Der Lokführer will mit aller Gewalt ca. 5 min Verspätung noch herausholen und rast, was die Schiene hergibt. Als Ursache für die Verspätung werden "betriebsbedingte Verzögerung bei den Zwischenhalten" bekanntgegeben, damit wird wohl gemeint, dass heute mehr Fahrgäste als sonst ein- und aussteigen. Ein Hohn. In einer ruppig gefahrenen Kurve fliegt mein schwer beladenes Rad dann doch um. Ich will nur noch raus hier und in Hof steige ich aus. Beim Aussteigen merke ich, dass die Laufräder blockieren. Die Bremsen haben sich verstellt, das ist leicht behoben, aber das Hinterrrad hat eine leichte Acht. Na prima! Das war wohl nicht mein Tag.

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Re: Istrien und Dalmatien

Beitrag von Falcon » Sa 11. Feb 2012, 10:08

2. Tag Weiterreise

Es ist Montag, es regnet und ich habe das Fahrradabteil im Zug nach München für mich. In München finde ich einen Radladen, der mir für 5 € schnell das Hinterrrad zentriert. Es nieselt und ich gammle dann stundenlang auf dem Bahnhof herum. Abends fädele ich mich dann in den entsprechenden Waggon, der mich nach Venedig bringen soll. Die Platzverhältnisse im Liegewagen erinnern an ein U-Boot. Egal, ich kann sogar ganz gut schlafen. Nur irgendwann nach Mitternacht platzt doch ein österreichischer Grenzer in das Abteil und verlangt unsere Ausweise. Seltsam, ich dachte, das hätte man abgeschafft.

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Re: Istrien und Dalmatien

Beitrag von Falcon » Sa 11. Feb 2012, 10:19

3. Tag DreiLänderGiro

Früh halb sieben spuckt der Zug alle Leute in Venedig aus. Ich habe noch etwas Zeit, weil ich auf den Anschlusszug nach Triest warten muss. Ich möchte ein paar Schritte gehen, aber vor dem Bahnhof fließt auch gleich schon der erste Kanal. Ich schaue fasziniert dem Treiben der Boote in der Morgensonne zu. Müllkähne, Taxis, öffentliche Verkehrsmittel, Lastkähne: alles analog wie auf der Straße.
Im Waggon nach Triest hat man ein seltsames Haltesystem für Fahrräder, die man mit dem Vorderrad nach oben einspannen muss. Der Schaffner grüßt mich freundlich mit „Buongiorno“, interessiert sich bis zum Fahrtende in Triest aber überhaupt nicht für meine Fahrkarte.
Triest – endlich kann es mit dem Fahrrad losgehen! Es ist angenehm warm, heiter und es weht eine frische Brise. Triest - die schlimme Erfahrung des letzten Jahres möchte ich nicht wiederholen und habe mir deswegen zu Hause schon eine für Radfahrer akzeptable Strecke durch die Stadt zusammengeklickt. Bis auf einen kurzen, fiesen Anstieg (Via del Veltro, ich schätze mal 18%, eine unglaubliche Wand in einer Großstadt!) hat das auch wunderbar funktioniert.
Über einen Hügel geht es nach Slowenien. Die Grenzstation liegt menschenleer und verlassen in der Mittagssone. Entlang der Küste nehme ich wie schon im letzten Jahr den Radweg, der gut ausgebaut ist und nur um Izola aus einem Stück Feldweg besteht.
Slowenien durchquere ich rasch (kenne ich ja schon alles ;-)), durchfahre noch einmal die witzigen, zum Radweg umfunktionierten Tunnel und schnell ist die zweite Grenze das Tages erreicht.
Der Grenzer wirft nur einen kurzen Blick in den Pass und schon bin ich drüben.
Kroatien begrüßt mich nach einem Hügel mit einer Straße, die entgegen meiner Karte zur Autobahn ausgebaut wurde :o . Irgendwie muss ich aber dort noch ein paar hundert Meter langafahren. Das Autobahnschild und „Für Radfahrer verboten – Schild“ habe ich schon hinter mich gebracht und bevor es wirklich vierspuriger Ernst wird, kann ich gerade noch die letzte Abfahrt nehmen :D
Umag – das erste hübsche Städtchen Istriens an der Adriaküste. Ich ziehe die ersten kroatischen Kuna aus einem Automaten, versorge mich im Supermarkt mit Lebensmitteln und mache im Schatten eines Baumes erst mal Rast.
Weiter geht es immer in Küstennähe. Novigrad: ein verträumtes, hübsches Städtchen.
Es gibt viele andere Radfahrer, von denen die meisten nur Tagesausflüge machen. Nur ein Pärchen sehe ich, die wie ich mit vollem Gepäck unterwegs sind.
Die Straße ist wellig, relativ dicht befahren, alles aber noch unkritisch. Halb Europa macht in Istrien Urlaub.
In Poreč klingle ich einfach an einem der zahllosen Häuser, die ein Schild mit „Sobe, Rooms, Zimmers“ haben und bekomme problemlos mitten in einer Wohnung ein Zimmer für mich. Willkommen zu Hause bei Kroaten!

Die Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=fkx ... =trackList
Dateianhänge
01 Trenitalia.jpg
Mitfahrer bei Trenitalia
01 Grenzenlos.jpg
grenzenlos
01 Isola.jpg
Isola Alpe - Adria
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Tunnelkunst
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Dobrodosli!
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Novigrad

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Re: Istrien und Dalmatien

Beitrag von Falcon » Sa 11. Feb 2012, 10:26

4. Tag

Ich bekomme ein kleines aber feines Frühstück serviert, dass aus einer Kanne Kaffe und einem ofenfrischen Croissant-ähnlichen Teil besteht und das ich auf der Terrasse mit Blick in den Feigenbaum im häuslichen Garten und der blauen Adria im Hintergrund einnehmen kann.
Ich starte durch und hügele mich weiter nach Süden durch Istrien, vorbei an zahlreichen großen Grillständen, die so oder zusammen mit einem Restaurant am Straßenrand stehen und deren Fassungsvermögen für ein ganzes Schwein ausreicht. Vormittags wird hier das Feuer angefacht, damit Abends das fertige Spanferkel verdrückt werden kann.
Zwischendurch komme ich durch einen richtigen, hübschen Fjord (Limski Kanal). Das kenne ich aus Norwegen: Man kommt an, lässt sich in das tief eingeschnittene Tal fallen und kraxelt an der anderen Seite wieder hoch (im Höhenprofil gut zu sehen).
Nach einer Weile möchte ich die Fernverkehrstraße lieber gegen eine kleine Küstenstraße tauschen. Aber eine böse Überraschung erwartet mich: Die so einladend in meiner Karte verzeichnete Straße endet jäh an einem Zelpltatz und dort wird mir mitgeteilt, dass die öffentliche Straße hier endet und ich werde ich auf eine weiße, staubige Schotterpiste verwiesen. Ca. 4 km laufe ich in der Mittagshitze durch die fast unbewohnte istrische Pampa. Zeit habe ich ja genug, obwohl ich innerlich den Kartenverlag und den Zeltplatzbetreiber verfluche. Mir geht noch durch den Kopf, dass im Reiseführer der geneigte Wanderer von der giftigen Hornviper gewarnt wird, auf die man doch bitteschön unterwegs achten solle. Mache ich!
Nach einem kurzen Überall auf den nächsten Kiosk mit vitalisierendem Eis ist das nächste Ziel Pula, die größte Stadt auf der Halbinsel. Ich fahre einfach gen Zentrum, mal sehen was mich so erwartet. Plötzlich sehe ich ein riesiges römisches Amphietheater, das geradezu fantastisch erhalten ist Das ist mir einen längeren Zwischenstop und ein ordentliches Eintrittsgeld wert.
Ich quäle mich so schlecht und recht aus der verkehrslastigen Stadt wieder raus und weiter geht es zur Südspitze von Istrien. Medulin liegt zwar sehr nett, aber ist mir für eine Übernachtung zu touristisch. Also weiter. Die nächsten Orte, die ich durchfahre, liegen nicht mehr an der Küste und bieten deswegen keine Übernachtungsmöglichkeit. Weiter geht es duch sanftes Hügelland und dann schlägt wieder der Kartenteufel zu: statt einer „Hauptsraße 2. Ordnung“ erwarten mich zwei Kilometer Feldweg, diesmal zur Abwechslung aber mit staubiger roter Erde. Könnte auch in Afrika sein.
Die nächsten Hotels, die auf dem Weg liegen, sind zu dritt beieinander, aber keines möchte mich aufnehmen. Mh, die Dämmerung bricht bereits herein. Was tun? Ich kann einfach nur weiterfahren, was in der Abendstimmung durch die sich langsam abkühlende Luft sehr angenehm ist. Eigentlich sollte man hier generell nachts fahren, aber dann sieht man ja nix mehr von der Landschaft...
Im nächsten Dorf rolle ich schon im finsteren ein. Ohne rechte Hoffnung auf ein Bett für die Nacht gehe ich in eine Kneipe und frage die Wirtin nach irgendetwas, wo man sein müdes Haupt betten kann. Ein paar Brocken englisch und italienisch helfen zur Verständigung und einen Anruf später steht mir auf wundersame Weise in diesem Kaff eine ganze Ferienwohung zur Verfügung, die ich in Beschlag nehmen kann. Als Abendessen gibt es leckere Tintenfische mit Kräutersauce, ordentlich Knoblauch und Pommes.

Die Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=hmo ... =trackList
Dateianhänge
02 Sexy Ferkel.jpg
Sexy Ferkel
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Limski Kanal
02 Amphietheater Pula.jpg
Amphitheater Pula
02 irgendwo in Afrika....jpg
irgendwo in Afrika...

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Re: Istrien und Dalmatien

Beitrag von Falcon » Sa 11. Feb 2012, 10:39

5. Tag Dreck, Hund und die erste Insel

Am Morgen sind meine Beine schwer. War wohl ein bissl viel gestern, obwohl ich noch gar keinen richtigen Berg gefahren bin. Egal, die Form kommt durch’s stetige weiterfahren.
Nach dem Frühstück in dem lokalen Lebensmittelladen geht es gut gelaunt weiter. Direkt nach Ortsausgang beginnt aber eine Baustelle. Oha, das sieht wirklich nicht gut aus. Die ganze Straßendecke wurde weggenommen und man fährt auf der typsichen kalksteinhaltigen Erde weiter. Und das auf einer Hauptverkehrsstraße! Damit es nicht so stiebt, fährt ein Tankwagen drüber und verspritzt Wasser. So versändlich das auch ist, verwandelt es die Piste in ein schlammiges, schmieriges etwas. Ich rolle möglichst langsam dort durch, um das Rad nicht unnötig einzusauen. Es geht immer nur bergab, erstreckt sich aber auf ca. 5 km.
Unten angekommen führt die Strecke in den nächsten Fjord. Das obligatorische Hundeerlebnis trifft mich hier: So eine halbgroße Portion schwarzer Hund trottet am Straßenrand entlang. Er sieht mich erst aus der Ferne, läuft unberührt weiter, aber als ich auf gleicher Höhe bin, rastet er aus. Ich erhöhe erst mal die Geschwindigkeit, aber der Hund hält mit und bellt mich weiter böse an. Frauchen ruft zwar aus dem Hintergrund, aber Hundchen hört nicht. Ich klicke vorsichtshalber den rechten Schuh aus dem Pedal, um mich notfalls zu verteidigen, aber da versiegt die Ausdauer bei dem Tier und es lässt mich weiterziehen.
Die winzige Straße, die aus dem Fjord herausführt, ist ein hartes Stück Arbeit. Unten recht steil, nach oben hin flacher aber immer noch anstrengend.
In Labin muss ich Nahrungsmittel aufnehmen. Es ist eine Lidl-Filiale. Die armen Mitarbeiter müssen ein blödes T-Shirt mit dem deutschen Aufrduck „Lidl lohnt sich auch im Urlaub“ tragen.
Der nächste Fjord ist mit Industrie zugebaut. Ein Kohlekraftwerk reckt seinen riesigen Schornstein in die Landschaft und wird von einem Schiff aus mit den schwarzen Klumpen versorgt.
Wenig später erreiche ich nach steiler Abfahrt zur Küste den ersten Fähranleger. Die Autofähre bringt mich sehr bequem auf die wenig besiedelten Insel Cres, die nur wenig störenden Verkehr zu bieten hat.
Gleich nach der Ankunft auf der Insel geht es bergan, und der Anstieg zieht sich gewaltig in die Länge. Die Sonne bullert und der Schweiß rinnt. :schwitz: Dafür stört kein Auto die Ruhe. Die Luft ist erfüllt vom schweren und betörendem Duft nach Salbei, Thymian, Harz von den Nadelgewächsen und was sonst noch dort wächst und als Macchia bezeichnet wird. Einfach herrlich! Die Bäume werden allerdings meist nicht groß und so gibt es sehr selten etwas Schatten.
Irgendwann bin ich oben angekommen, nach einer kurzen Abfahrt genieße ich eine atemberaubenden Ausblick auf die ganze Kvarner Bucht. Zu meinen Füßen liegt die vergleichsweise flache Insel Krk (Was für ein Name!!!) und im Hintergrund das Festland mit einem hübschen Küstengebirge.
Ich lasse mich herab in den malerischen Küstenort Cres fallen, wo ich in einer der vielen engen Gassen eine recht einfache und billige Unterkunft finde. Am Abend gibt es eine riesige Portion „Spaghetti AOP“ Aglio, Olio d’ Oliva, Parmesan.

Die Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=pzv ... =trackList
Dateianhänge
03 Baustelle.jpg
Baustelle
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Fähre
03 auf Cres.jpg
auf Cres
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lange Durststecke oder die Kunst der langfristigen Werbung
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Kvarner Bucht
03 Loch an Loch.jpg
traditionelles lokales Maurerhandwerk
03 Mainz 02.jpg
Die Fans welchen Fußball-Vereins kaperten dieses Schiff?

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Re: Istrien und Dalmatien

Beitrag von Falcon » Sa 11. Feb 2012, 10:48

6. Tag Inselhopping

Ich will zur Insel Krk übersetzen. Der Fähranleger liegt zwar nur ca. 3 km Luftlinie von Cres entfernt, aber auf der Straße sind es gleich mal 12 km und eine erkleckliche Anzahl von Höhenmetern und so bin ich eine gute Weile beschäftigt. Wieder geht es ruhig und mit wenig Verkehr duch den schweren Duft der Insel und obendrein gibt es tolle Ausblicke auf die Nachbarinseln und das Festland.
Diesmal wollen mehr Kraftfahrzeuge auf der Fähre mitfahren, als Stellplätze vorhanden sind. Innerlich grinse ich schadenfroh in mich hinein, als ich an der langen Autoschlange genüsslich vorbeifahre und mir einen winzigen Stellplatz für mein Rad auf der Fähre heraussuchen kann.
Die Insel Krk ist wenig erfreulich für mich, denn es herrscht reger Verkehr auf dem Weg zum Festland. Ständig donnern Kraftfahrzeuge an mir vorbei und so macht es einfach keinen Spaß. Die kilometerlange Brücke zum Festland ist zum Glück für Radfahrer offen und ich bin froh, dass ich dort problemlos an den Autos vorbeigekommen bin. Gleich danach gibt es kühle Getränke aus der Tankstelle, was für eine Wohltat! Nein, Krk bleibt mir in keiner guten Erinnerung, aber ich bin dort einfach auch nur dem Hauptverkehrsweg entlanggefahren.
Weiter fahre ich über kleine Nebenstraßen in Küstennähe und meide somit die stark befahrene Küstenstraße, die sich hunderte Kilometer die ganze kroatische Küste entlangzieht. Die Dörfer sind verschlafen und heißen Drivenik, Grižane-Belgrad oder Bribir. Irgendwo an einem schweißtreibenden Anstieg meint es das Schicksal gut mit mir und führt mich an ein Rinnsal am Straßenrand, wo ein kleiner Bach durch ein Rohr in eine Art Tränke geleitet wird. Und dort kommt sogar noch etwas kühles Nass raus! Es ist unglaublich, woher aus dieser vertrockneten Umgebung noch das Wasser herkommt.
In Novi Vinodolski muss ich auf die Küstenstraße, da hilft alles nichts. Der Schweiß kommt mir wieder aus allen Poren, diesmal aber aus Angst. Die Straße ist hier sehr kurvenreich und recht schmal gebaut und wenn sich zwei Autos auf meiner Höhe begegnen bleibt nicht viel Platz übrig. Die paar Kilometer bis zum heutigen Etappenziel Senj sind trotz der schönen Landschaft dann psychsisch nicht entspannend. In dieser Stadt kullere ich erst etwas untentschlossen herum, denn die Touri-Info hat wie schon in Cres ihre eigenen Öffnungszeiten komplett ignoriert. Prompt werde ich von einem Schnauzbart angesprochen, ob ich nicht eine Übernachtung suche. Klar, und schwupps fährt er mit seinem Moped vorneweg. Ich will mich nicht lumpen lassen und presche hinterher. Aber in dem heftigen Anstieg kurz vor seinem Haus zieht es doch sehr schmerzhaft in den Beinen. Bloß jetzt nicht überziehen... Hinter Weinlaub findet sich der Eingang zur Wohnung, in der ich wieder in einem Zimmer mitten unter Kroaten wohne  http://www.apartmani-julia.co.cc

Die Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=hee ... =trackList
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04 Wasser.jpg
WASSER!
04 Senj.jpg
Senj
04 glagolytisch.jpg
Glagolitisch
04 rechts oder links.jpg
Nach recht oder doch lieber nach links?

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Re: Istrien und Dalmatien

Beitrag von Falcon » Sa 11. Feb 2012, 11:07

7. Tag Gebirge

Heute wird ein schwerer Tag (wie schwer, weiß ich erst heute abend so richtig...)! Also esse ich ordentliche Mengen zum Frühstück. In einem Supermarkt habe ich doch tatsächlich ein Vollkornbrot ergattert (das natürlich als „bayerisch“ deklariert ist). Große Freude nach dem Weizen-Einerlei!
Ich nehme die Küstenstraße noch einmal kurz bis Sveti Juraj unter die Räder, diesmal aber ohne Verkehrsprobleme. Sveti Juraj – ein paar Häuser mit Kirche am Meer und eine winzige Insel, kaum größer als 200 qm liegt direkt davor in der türkisblauen Adria. Hach, warum will ich eigentlich weiterfahren? Ach ja, Sveti Juraj, ein Ausgangspunkt, um in das Velebit-Gebirge aufzubrechen!
Ich kippe einen Eistee hinter, belade meine Taschen mit 3 l Getränken und dann geht es los! Anfangs geht es angenehm gemächlich in weiten Serpteninen nach oben und an jeder Kurve hat man einen schöneren Ausblick auf das Meer mit den ganzen Inseln. Ab einer Höhe von ca. 400 m zieht die Straße dann deutlich an und irgendwann kommt ein Schild mit bösen 15% (kann ich aber nicht glauben). Ich transpiriere ordentlich. Der Schweiß rinnt mir in die Augen und sonst überall hinunter. :schwitz: :schwitz: :schwitz: Es wird wieder flacher, aber kein Baum und kein Strauch möchte Schatten spenden. Und es gibt nur noch wenige Kurven, das kann auch etwas deprimierend sein. Ich kämpfe und muss Pausen einlegen, essen, trinken, Luft holen. Irgendwann in ca. 800 Metern Höhe kommt doch die Vegetation tatsächlich dazu, eine Art Wald zu bilden, wie man ihn aus Mitteleuropa kennt: richtige Bäume, die auch Schatten spenden. Ich jubiliere, weil auch die Temperatur wieder erträgliche Höhen erreicht hat, aber die Straße steigt wieder in den zweistelligen Prozentbereich. Irgendwann bin ich auf ca. 1 000 m oben, aber leider sind die Kroaten noch etwas radfahrerunfreundlich, denn ein Schild für ein Erinnerungs- und Beweisfoto gibt es auf dem namelosen (!) Pass nicht. Auf der anderen Seite geht es langsam wieder ein Stück bergab und der Wald wird noch dichter. Ich genieße Schatten und angenehme Kühle. In Krasno Polje, dem ersten Kuhdorf nach dem namenlosen Pass, gibt es einen Tante-Emma-Laden, den ich dankbar überfalle und Getränke und Eis in mich hineinschütte. Eine kleine Straße durch bewaldetes Gebiet habe ich mir für die weitere Fahrt herausgesucht. Auf meiner Karte sieht die zwar etwas merkwürdig kurvig, aber nicht gerade problembehaftet aus. An der nächsten Kreuzung findet sich eine detailliertere Wanderkarte in größerem Maßstab, die mir etwas die Realität näherbringen möchte. Ich sehe fast nur eng beieinanderliegend Höhenlinien und unzählige Kurven für den weiteren Straßenverlauf. Egal – gestärkt durch Eis und Getränke blende ich das mal aus. Die nächsten ca. 35 km sind hart aber sehr schön! Am Rande des Velebit Nationalparks geht es auf dieser kleinen, asphaltierten Straße fast komplett durch dichten Wald. Mir begegnen auf der ganzen Strecke vielleicht zehn Autos und es gibt kein Haus, nur eine Hütte, sonst nichts als Natur. Und es geht ständig bergauf und bergab! Ich erahne, wann ich auf dem letzten Berg angelangt bin und den letzten Anstieg verfluche ich aus ganzem Herzen. Mit zitterenden, puddingweichen Beinen steige ich vom Rad, der Puls pocht im Kopf: ca. 2 100 hm nach 65 km zeigt mir mein Radcomputer an. Ich bin so ziemlich am Ende meiner Kräfte. Jetzt hilft nur noch eine Pause mit `ner Cola und der vielleicht zehnte Riegel des Tages. Mit kindlicher Freude lasse ich mich aus dem Gebirge herabfallen und vernichte hunderte mühsam errungene Höhenmeter. Als Tagesziel habe ich mir die nächste Stadt Gospič herausgesucht, wohl ahnend, dass es in dieser meeresfernen Gegend nur wenige Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Und so war es denn auch: das erste Hotel wollte mich aus unerfindlichen Gründen nicht haben, eine Pension war geschlossen und dann stand ich erst mal blöd da. Die Kommunikation mit den Einwohnern war durch die Sprachbarriere sehr beschränkt. Erst nach Einbruch der Dunkelheit (ich hatte mich schon seelisch auf eine Übernachtung auf der obligatorischen Parkbank eingestellt) gelang es mir doch noch, ein Hotel ausfindig zu machen (http://www.hotel-ana.hr). Mein Einchecken an der Rezeption wurde vom Lärm einer Band überschattet, die gerade nebenan im Speisesaal am Proben war. Stimmt, heute ist Samstag, also Party! War mir egal, Hauptsache ich hatte eine Dusche und ein Bett. Mein Rad schloss ich an das nächste Verkehrsschild. Irgendein Idiot hatte auf der Borsteinkante eine halbvolle Flasche Bier abgestellt, die ich Idiot nicht gesehen habe und ein ordentlicher Schluck der Brühe ergoss sich in meinen linken Schuh. So ein Sch...! Na ja, die Socken wollte ich sowieso heute mal waschen. Mein Bett vibrierte unter den Bässen, die die Balkan-Band nur eine Etage unter mir verbreitete, aber in einer der gnädigen Spielpausen fiel ich doch in einen komatösen Schlaf.

Die Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=glx ... =trackList
Dateianhänge
05 links hoch.jpg
Bald geht's links hoch!
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langsam hochschrauben
05 gnädiger Schatten.jpg
...Schatten voraus!
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herzallerliebste winzige Bergstraße
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Velebit
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Mitfahrer Nr. 1
05 Mitfahrer 2.jpg
Mitfahrer Nr. 2

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Re: Istrien und Dalmatien

Beitrag von Falcon » Sa 11. Feb 2012, 11:50

8. Tag Locker zurück zum Meer

Der Morgen brachte mir erst mal ein mittelmäßiges Hotelfrühstück. Die Hotelangestellten blickten etwas verkatert in den Tag und reagierten noch etwas verschlafen.
Die ersten 50 km des Tages veliefen zum Glück so platt wie in der Leipziger Bucht, es war eine echte Wohltat für meine geschundenen Beine. Doch meine Gedanken verdüsterten sich schnell. Neben der Straße, die in sonntäglicher Ruhe vor mir lag, standen oft Schilder, die vor herumliegenden Minen und Bomben warnten (zum Pinkeln mal schnell hinter den nächsten Busch zu gehen, habe ich mir vorsichtshalber weitgehend verkniffen). Außerdem standen noch sehr viele Hausruinen in der Gegend herum, die ausgebrannt waren und deutlich mal mehr mal weniger Einschusslöcher hatten. Teilweise versuchte die Vegetation gnädigerweise die gräßlichen Hinterlassenschaften des Krieges zu überdecken. Vorbei an einem zerschossenen Häuserwrack, in dem mal UN-Soldaten stationiert waren, führte mich mein Weg wieder über einen weiteren, weit niedrigeren und (wieder) namenlosen Pass gen Meer. Auf der anderen, der Adria zugewandten Seite, wechselte die Vegetation wieder, diesmal erschien es mir schon wie eine Halbwüste. Die Hitze nahm zu. Aber wie es bei einem Pass so ist, auf der anderen Seite geht es bergab! Eine sehr lange und flache Abfahrt von ca. 700 m auf Meerespiegelniveau lag vor mir. Der Weg in die entgegengesetzte Richtung wäre heute äußerst qualvoll gewesen, um nicht zu sagen eine Art Vorhölle. Es war nicht nur die Hitze, die mir warme Luft wie aus einem Fön in das Gesicht blies. Die Straße war künstlich aufgerauht, wie Beton mit tiefen Fräspuren, deswegen rollte es nur schlecht und weit und breit war kein winziges Stückchen Schatten in Sicht.
Unten auf pratisch 0 m stand in der Ortschaft eine Tankstelle, die mir wieder neue Lebensgeister einhauchen konnte. Ich wollte aus dem klimatisiertem Raum gar nicht mehr wieder raus in die Glut... Ein paar Hügel standen heute noch im Weg, die ich den Temperaturen entsprechend langsam aber stetig überwinden konnte. Der Ort Benkovac sollte heute eigentlich mein Ziel sein, bot aber, obwohl nur 20 km vom Meer entfernt, keine offensichtliche Übernachtungsmöglichkeit. Unglaublich, wie eng der Tourismus an das Meer gekettet ist. Also noch mal eine Rast einlegen und dann kullerte ich vorbei an einem Vogelparadies an einem See nach Pakoštane. Die Adria hatte mich wieder und zufällig bekam ich hier ein sehr schönes Zimmer in einer Pension mit sehr netten Besitzern.

Die Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=hvm ... =trackList
Dateianhänge
06 flach.jpg
flach
06 Minen.jpg
Minen
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Kriegsschäden
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Velebit von der anderen Seite
06 Abend.jpg
Abend

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Re: Istrien und Dalmatien

Beitrag von Falcon » Sa 11. Feb 2012, 11:56

9. Tag Abstecher in's Paradies

Das Hausbesitzerehepaar umsorgte mich fürsorglich am Frühstückstisch, auf dass ich auch ja ordentlich viel esse. Ein separat zubereitetes, deftiges Omelett gehörte u. a. dazu.
Vor dem Start gönnte ich der Kette noch etwas Pflege und dann schwang ich mich wieder auf den Sattel.
Die ersten 10 km fuhr ich auf dem Weg zurück, den ich gestern gekommen bin – igitt (ich versuche so etwas immer, wenn es irgendwie geht, zu vermeiden). Es ging weiter durch welliges Terrain mit Wein- und Olivenplantagen. Dann wieder eine größere Baustelle auf der Landstraße! Böse Vorahnugen und Erinnerungen beschlichen mich. Mal sehen, was es hier für eine Überraschung gab. Mmmmh, leckerer warmer Asphalt wurde gerade auf der Straße verteilt, der erst vor wenigen Stunde plattgewalzt wurde und noch dampfte. Wenn in anderen Gegenden dafür Straßen gesperrt werden, läuft in Kroatien der Verkehr doch einfach drüber weiter. Die Straßenränder waren zugewuchert und unbegehbar, so dass ich keine andere Wahl hatte, als langsam über die glänzende dampfende Masse drüberzufahren. Eine dünne Schicht schwarzer, dampfender Pampe überzog alsbald die Reifen, aber es ging noch.
Ich näherte mich dem Höhepunkt des Tages, dem Krka Nationalpark. Während das umliegende Land in Trockenheit vor sich hin dürstet, tritt hier ein ziemlich kräftiger Fluss zutage, der auch Mitten im Sommer noch reichlich Wasser führt. Man wähnt sich wie im Paradies, denn zahllose Pflanzen- und Tierarten bewohnen einen schmalen Streifen entlang des Flusses. Nach einem kräftigen Eintrittsgeld und 5 km staubiger Schotterpiste bin ich am Nationalpark angekommen und kann inmitten einer Touristenschar ein Bad in dem Fluss nehmen. Es ist einfach ein herrliches Gefühl und eine sehr willkommene Abkühlung! Unterhalb von den dicht bewachsenen, terrassenartigen Waserfällen kann man herumplanschen und es sieht aus wie auf einem kitschigen Fantasy-Bild. Ich laufe noch eine Runde durch den Nationalpark und ergötze mich an all dem Überfluss an Wasser und dem Leben drumherum. Dann geht’s am späten Nachmittag weiter durch die Halbwüste des kroatischen Kalksteins.
Zur Übernachtung will ich wieder an die Küste, wo man mit Sicherheit eine Unterkunft bekommnt. Ich muss durch Šibenik durch, dass zwar als sehenswert angepriesen wird, mir aber durch den städtischen Verkehr auf den Keks geht. Ich fahre lieber ein paar km weiter und finde in Brodarica ein Privatzimmer für die Nacht. Die Besitzerin, eine ältere Dame, jammert zwar, nachdem ich ihr mitgeteilt habe, dass ich nur für eine Nacht bleibe, dass sie dann die ganze Wäsche schon wieder waschen muss, gibt mir aber mangels anderer Touristen das Zimmer doch. Na ja, sicher hat sie in dem Preis, den sie mir dann nennt, eine spezielle „Wäscheabgabe“ einberechnet. Im Zimmer entdecke ich dann das wahrscheinlich kleineste Toilettenzimmer Kroatiens, kaum so groß wie das entsprechende Abteil bei der Deutschen Bahn: zum Zähenputzen setzt man sich am besten auf das Klo.
Abends gibt es eine herrliche Goldbrasse vom Grill, ein leckeres Mahl!

Die Strecke:
http://www.gpsies.com/map.do?fileId=pca ... =trackList
Dateianhänge
07 Radler.jpg
Der Radfahrer als Zielscheibe
07 Krka.jpg
Krka Nationalpark
07 das kleinste Klo der Welt.jpg
Die kleinste Toilette Kroatiens
07 Abend.jpg
Abend

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